Europa geht anders. Sozial, friedlich, demokratisch

Programm der Partei DIE LINKE zur Europawahl 2014

»Friedliche Lösung von Konflikten, individuelle Freiheitsrechte, solidarisches und demokratisches Zusammenleben: Das sind die Erwartungen, die Menschen in den Mitgliedstaaten an die EU-Mitgliedschaft haben. An deren Erfüllung müssen wir gemeinsam arbeiten.« Lothar Bisky, Juli 2013

Liebe Wählerinnen und Wähler,

DIE LINKE kämpft für eine Gesellschaft, in der alle Menschen frei, selbstbestimmt und in Würde leben können. Eine solche Gesellschaft ist nur möglich, wenn Menschen über ihre Zukunft mitentscheiden können, wenn es soziale Sicherheit, gute Arbeit mit guten Löhnen, Bildung und Gesundheitsvorsorge für alle gibt. Wenn Kinder- und Altersarmut der Vergangenheit angehören. Wenn unterschiedliche Lebensentwürfe respektiert und geschützt werden. Wenn natürlicher Reichtum erhalten wird und Solidarität in der eigenen Gesellschaft, mit unseren Nachbarn und weltweit selbstverständlich sind. Wenn Frieden herrscht. Auch heute gilt die Aufforderung von Karl Marx bei der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation vor 150 Jahren, dass es darauf ankomme, in allen »Kämpfen für Emanzipation fest beieinanderzustehen« und sich gegen jede Politik zu wenden, die »mit Nationalvorurteilen ihr Spiel treibt«.

Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, in dem Millionen Europäer in den Schützengräben für die Interessen ihrer Kaiser und Könige, ihrer Großgrundbesitzer, von Hochfinanz und Großindustrie starben. 25 Jahre später organisierte der deutsche Faschismus den Holocaust und entfesselte in Europa und weit darüber hinaus ein Inferno des Terrors und des Mordens, dem mehr als fünfzig Millionen Menschen zum Opfer fielen. Das mahnt und erinnert uns, wie wichtig die Idee eines friedlichen Europa ist. Aus dem Widerstand gegen Krieg und Faschismus erwuchs die Forderung, die auch heute für uns verbindlich ist: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Für ein gemeinsames Haus Europa und Frieden.

Der Prozess der europäischen Integration und die Entwicklung der Europäischen Union waren immer auch mit der Hoffnung auf Frieden und sozialen Fortschritt verbunden. Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 und der Politik der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds ist diese Hoffnung enttäuscht worden. Mit der Kürzungs- und Privatisierungspolitik sowie dem Fiskalpakt werden auf breiter Front soziale Errungenschaften zunichte gemacht, zivile und gewerkschaftliche Rechte beschnitten, die Demokratie ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten. Die Ursachen der weltweiten Finanzkrise sind keineswegs beseitigt. Die Entwicklung der Weltwirtschaft bleibt fragil. Die ökologische Bedrohung unserer Lebensgrundlagen ist offenkundig. Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte. Er ist kein nachhaltiges Entwicklungsmodell. Ein Umsteuern in der Wirtschaft ist unumgänglich.
Die Europäische Union (EU) steht heute an einem Scheideweg: Ein »Weiter so« führt nicht aus der Krise, der zunehmenden Verarmung und Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen oben und unten in den Mitgliedstaaten der EU. Die EU hat ihr Ziel, Frieden – auch sozialen – zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren. Seit Ende des Kalten Krieges setzen die EU-Mitgliedstaaten stärker denn je auf Waffenexporte und militärische Stärke, statt auf zivile Konfliktlösung und -prävention zu orientieren. Das findet seinen Niederschlag in der Ausrichtung der EU-Politik durch die Regierungen und den Rat. Mit der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz hat diese Entwicklung einen neuen dramatischen Anstoß erfahren.
Das politische Angebot der LINKEN, das wir in unserem Wahlprogramm für das Europäische Parlament unterbreiten, entwirft dagegen ein Europa, das sozialer, gerechter, ökologischer, feministischer, friedlicher und weltoffener ist. Wir, DIE LINKE, wollen mit unseren Vorschlägen, Forderungen und Visionen für ein gemeinsames Europa politisch bei all jenen anknüpfen, die sich für diese Ziele engagieren. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern in der Europäischen Linkspartei (EL), in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen hat DIE LINKE konkrete Alternativen formuliert, die wir europaweit zur Diskussion stellen werden. Mit dem Spitzenkandidaten der Europäischen Linken, dem Vorsitzenden des griechischen Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, knüpfen wir an die eindrucksvoll geführten Kämpfe in Griechenland gegen sozialen Kahlschlag und Erwerbslosigkeit, gegen Faschismus und militärische Interventionen – für solidarische Alternativen an. Die Zeit für grundlegende Veränderungen der Politik ist gekommen.
Über diese Veränderungen wird auch im zukünftigen Europäischen Parlament wesentlich mitentschieden. Sein Einfluss wurde in den letzten Jahren gestärkt, seine Diskurse und Beschlüsse werden wichtige Richtungsentscheidungen in der Europäischen Union prägen: Sollen die Spardiktate der Troika – jener durch niemanden demokratisch legitimierten politischen Allianz aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) – auf Kosten der sozial Benachteiligten, Kranken, Alten und Jungen fortgesetzt werden? Geht es zukünftig nur um immer mehr Konkurrenz und die Verwirklichung von Profitlogiken? Soll weiter die öffentliche Daseinsvorsorge kaputtgespart und immer mehr privatisiert werden? Sollen Konzerne und Banken weiter die Gewinner einer fehlgeleiteten europäischen Integration sein? Wird ein gemeinsamer Markt mit den USA angestrebt, dem die sozialen, kulturellen und demokratischen Errungenschaften der EU zum Opfer fallen? Wird der dringend notwendige ökologische Umbau auf der Strecke bleiben? Werden die Mauern um die Europäische Union noch höher, tödlicher und die Ausgaben für Rüstungsproduktion und -handel weiter gesteigert? Wird die Politik Europas vor allem über Vereinbarungen allein zwischen Regierungen in Gremien durchgesetzt, die sich jeder demokratischen Kontrolle entziehen? Eine solche Politik wird DIE LINKE entschieden bekämpfen und um breite Bündnisse für Alternativen ringen.
Wir wollen einen Politikwechsel, damit die EU nicht vornehmlich Eliten an Reichtum und Macht ein Zuhause bietet, sondern sich solidarisch für alle entwickelt. Weil das Krisenmanagement in vielen Ländern lediglich den Vermögenden dient und die Armen ärmer macht, ist die europäische Integration für alle ins Stocken geraten.
Die europäische Zusammenarbeit hat in der Vergangenheit für viele Millionen Menschen Gewinne an Wohlstand, Gemeinsamkeit, Offenheit, die Stärkung der Kooperation und der Rechte der Bürgerinnen und Bürger gebracht. Aber diese Errungenschaften betrafen nicht alle, wurden zunehmend demontiert oder sind gefährdet. Seit mehr als zwanzig Jahren werden Konkurrenz, Standortwettbewerb und Orientierung an den Interessen der Großkonzerne und der Kapitaleigentümer durch nationale Regierungen, große Kapitalgruppen und Organe der Europäischen Union vorangetrieben. Die Orientierung auf »Sicherheit« und »globale Konkurrenz- und Handlungsfähigkeit« hat Probleme und Gefahren gemehrt und fordert nicht nur uns zu Protest, Widerstand und der Formulierung klarer Alternativen heraus. Die Große Koalition in Deutschland bestärkt diese falschen Weichenstellungen. Die Wahlen zum Europäischen Parlament wollen wir deshalb zu einem Signal für einen Kurswechsel in der Europäischen Union werden lassen.
Die Regierenden in den Mitgliedstaaten der EU – Deutschland vorneweg – haben das Ziel, das gemeinsame Wohl aller hier lebenden Menschen zu verfolgen, nie gehabt oder schlicht aufgegeben. Sie haben diese unsolidarische und neoliberale Politik aktiv durchgesetzt und damit den Charakter der EU verändert, die Idee eines sozialen Europas aufgegeben. Sie tragen dafür politische Verantwortung. Dies gilt insbesondere für die deutsche Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel. Sie war es, die den Ländern der Europäischen Union den Fiskalpakt aufgedrückt hat, mit dem die katastrophale Kürzungspolitik weiter verschärft wird.
Die wirtschaftliche Integration muss endlich mit einer sozialen und ökologischen Union verbunden werden! Viele Menschen sehen ihre Interessen in der Europäischen Union nicht gewahrt. Für sie wurde die EU von einer Hoffnung zu einer Bedrohung. Die Alternative ist nicht der Rückzug aus der Union, sondern der Kampf um ihre Veränderung. Ein Rückzug auf den Nationalstaat ist keine soziale und demokratische Alternative, sondern eine große Gefahr. Die einzelnen Mitgliedstaaten wären den sogenannten Finanzmärkten und einem verrohten Kapitalismus bedingungslos ausgeliefert. Nationalismus und Rassismus würden die Tagesordnung beherrschen. Daran kann und wird sich DIE LINKE nicht beteiligen. Den erstarkenden Faschisten und dem offenen Rassismus in vielen Mitgliedsländern der EU begegnen wir mit zivilem Widerstand. Wir kämpfen um eine andere Politik für die Menschen in jeder Kommune, jedem Bundesland, in Deutschland und auch in der Europäischen Union. Diese Kämpfe sind untrennbar.
Was in Deutschland verhindert wird, was in Deutschland an Alternativen durchgesetzt wird, das eröffnet wichtige Möglichkeiten für die Kämpfe der Linken in anderen Mitgliedstaaten. Was auf europäischer Ebene und im Europäischen Parlament entschieden wird, hat maßgeblichen Einfluss auf das Leben in der Bundesrepublik.
DIE LINKE weist die Behauptung zurück, dass es »keine Alternative« gibt. Die marktradikale Politik in der Europäischen Union und die Durchsetzung unsozialer Kürzungszwänge, wie sie gegenwärtig – unter maßgeblichem deutschen Einfluss – vorangetrieben werden, bedrohen die europäische Solidarität. Mit der Verschärfung der kapitalistischen Konkurrenz, gekoppelt an zunehmende Überwachung und Repression von Seiten der Staatsapparate, werden Ansätze zu demokratischer Partizipation, sozialer Integration und ökologischer Umgestaltung ausgehebelt. Dagegen setzen wir unsere Alternativen und leisten Widerstand.
DIE LINKE will die Europäische Union zu einer wirklichen Solidargemeinschaft entwickeln. Wir treten für ein europäisches Sozial- und Solidarsystem ein, durch das der Wert eines gemeinsamen europäischen Handelns für die in der EU lebenden Menschen sichtbar wird. Wir wollen die Außenpolitik der EU von den Krisengewinnlern und Rüstungsexporteuren befreien und Frieden zum Markenzeichen der Europäischen Union machen. Wir wollen die Union zu einem gemeinsamen Bürgerrechtsraum umbauen, in dem demokratische Grundrechte universell Geltung haben, in dem Freizügigkeit nicht durch Datenüberwachung, Geheimdienste, Migrationspolizei und Grenzregime eingeschränkt und definiert werden. Wir wollen die Europäische Union zum guten, friedlichen und solidarischen Nachbarn für die Menschen dieser Welt entwickeln. Wir wollen die EU-Institutionen demokratisieren und kontrollieren und den Kurs der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates so verändern, dass das Kapital nicht mehr deutsche gegen griechische Europäerinnen und Europäer ausspielen kann, sondern gemeinsame sozial-ökologische Entwicklungsziele in den Vordergrund gestellt werden. Wir wollen zur Durchsetzung dieser Ziele die Grundlagen der Europäischen Union vom Kopf auf die Füße stellen, den Regierungen nehmen und den Menschen geben. Wir wollen die Diskussion über gemeinsame Werte und Normen in der EU und über deren rechtliche Ausgestaltung in großer Breite und unter institutioneller Einbeziehung der Zivilgesellschaft führen. Wir wollen, dass über die Ergebnisse dieses solidarischen Diskurses in zeitgleich stattfindenden Referenden in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgestimmt wird. Dafür und für vieles mehr braucht es eine starke linke Fraktion im Europäischen Parlament.
Wir wollen mehr Demokratie in der EU. Wir wollen eine Europäische Union, die den Menschen eine tragfähige Perspektive für Frieden und sozialen Fortschritt bietet und der jungen Generation ihre Zukunft ermöglicht. Eine solche EU ist auf der Grundlage der bestehenden Verträge nicht entwickelbar. Sie müssen dringend grundlegend erneuert werden. Unsere Kritik am Zustand der Europäischen Union führt zu unserem Engagement für ein anderes, ein sozialeres, ökologischeres, demokratischeres und friedlicheres Europa. Die EU muss neu begründet werden.
Eine veränderte Europäische Union ist möglich und notwendig. Eine solche demokratische, soziale und ökologische Umkehr in Europa kann erkämpft werden – auf allen Ebenen der Politik, von der Kommunalversammlung bis zum Europaparlament. DIE LINKE hat dabei eine besondere Verantwortung: Unser Kampf gegen Angela Merkels Version eines Europas des Wettbewerbs und der Märkte hat innerhalb Europas eine zentrale Bedeutung: Unsere europäischen Alternativen zur herrschenden Krisenpolitik und den nationalistischen Scheinantworten sind eindeutig. In ihrer bestehenden vertraglichen Verfasstheit und Politik ist die EU weder auf Frieden und Abrüstung ausgerichtet noch auf soziale Gerechtigkeit. Nur starke ausserparlamentarische Kämpfe und eine starke Linke in den Parlamenten können den Neustart schaffen: für ein friedliches, soziales, demokratisches und ökologisches Europa.
Erstens: Wir fordern, dass die Folgen der Krise nicht weiter durch die Schwächsten der Gesellschaft, Kinder, Ältere, Beschäftigte, kleine Selbständige und Kleinunternehmer getragen werden. Es geht uns um den Schutz und die Wiederherstellung der Gesundheits- und Altersvorsorge sowie der Bildung in den besonders betroffenen Krisenländern. Die Jugenderwerbslosigkeit muss durch Sonderprogramme bekämpft und drastisch reduziert werden. Es geht um die Zukunft einer ganzen Generation. Es geht um das Leben von Millionen Asylsuchenden und sogenannten illegal in der EU lebenden Menschen. Wir kämpfen für eine Sozialcharta bei Hilfen für Krisenstaaten und eine direkte Kreditvergabe durch die EZB in festgelegtem Rahmen.
Zweitens: Die Politik der Umverteilung von unten nach oben, der Privatisierung wichtiger öffentlicher Dienstleistungen und der Deregulierung im Banken- und Finanzsektor ist eine der wichtigsten Ursachen der aktuellen Krise. Diese Politik muss beendet werden. Die Krisengewinnler und Krisenverursacher sind zur Rechenschaft zu ziehen. Eine wirkliche Sozialunion braucht »Umfairteilung«, einen starken öffentlichen Sektor und den Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen sowie öffentliche EU-Konjunkturprogramme unter transparenter öffentlicher Kontrolle. DIE LINKE steht ein für gemeinsame EU-weite Mindestsätze bei der Unternehmensbesteuerung und für eine EU-weite Vermögensabgabe.
Drittens: Wir setzen uns für einen Neustart der Europäischen Union und ihrer Institutionen ein, um die Richtung der europäischen Integration zu verändern. Die EU soll soziale, ökologische und globale Probleme lösen, die Grundrechte der hier Lebenden schützen und stärken, sich endlich wirklich für die Menschenrechte engagieren, anstatt diese zu instrumentalisieren. Dazu müssen die Demokratie auf allen Ebenen und die Zusammenarbeit unter den demokratischen Interessenvertretungen und Parlamenten gestärkt werden. Deshalb fordert DIE LINKE unter anderem EU-weite und verbindliche Volksentscheide.
Viertens: DIE LINKE kämpft für verbindliche soziale Rechte für alle Menschen in der EU, so für EU-weite armutsfeste Mindestlöhne, Mindestrenten und Mindesteinkommen. In der gesamten EU muss gelten: Solidarität und soziale Mindeststandards sind eine entscheidende Basis des Zusammenhalts, der Wettbewerb des Sozialdumpings muss beendet werden.
Fünftens: Wir setzen uns für die Ausweitung von Grundrechten im Internetzeitalter ein. Wir lehnen die umfassende Überwachung von Kommunikation durch Staaten und Konzerne ab, fordern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Durchsetzung demokratischer Kontrolle.
Sechstens: Armut, Bürgerkriege und Umweltkatastrophen sind Folgen kapitalistischer Globalisierung, äußerer Einmischung und von Staatenzerfall. Verfolgung, Flucht, Vertreibung und die Suche nach lebenswerten Alternativen führen Menschen in die EU und deren reichere Mitgliedstaaten. Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl, wollen einen deutlich stärkeren Einsatz für Kriegsflüchtlinge, insbesondere aus dem Nahen Osten und Nordafrika, und treten für eine aktive Politik solidarischer sozialer Integration ein. Wir brauchen eine Humanisierung der Flüchtlingspolitik, Frontex ist aufzulösen.
Siebtens: Wir setzen uns für eine aktive und konstruktive Politik der Europäischen Union gegenüber den Nachbarländern im Osten und Süden der Europäischen Union, für Engagement gegen globale Armut ein. Offenheit, wirtschaftliche Kooperation, Solidarität und eine gemeinsame Entwicklung sind der Schlüssel für Frieden und Wohlstand. Die EU soll sich verstärkt an allen globalen Initiativen, die zu einer friedlichen und nachhaltigen Entwicklung beitragen können, aktiv beteiligen. Eine konsequente Entmilitarisierung der EU und die Konversion der Militärpotenziale ihrer Mitgliedstaaten wäre hierzu ein wichtiger Beitrag. Rüstungsexporte müssen verboten werden. Die Freigabe von Technologien insbesondere in den Bereichen von Umwelt, Gesundheit und Bildung für die ärmeren Länder soll eine Selbstverständlichkeit werden.
Liebe Wählerinnen und Wähler, es bleibt dabei: Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Deshalb bitten wir Sie um Ihre Stimme bei den Wahlen zum Europäischen Parlament.
1. Soziales Europa
»Als Menschen, (...) als Fußvolk sind wir noch lange nicht aus der Krise raus. Wir kriegen es noch zu spüren.« Vertrauensmann aus der IG Metall
Die Krise in Europa und ihre Folgen sind auch das Ergebnis einer falsch ausgerichteten Konzeption der Europäischen Union. Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht gibt es eine umfassende neoliberale Ausrichtung, liegen die Schwerpunkte auf der Freizügigkeit des Kapitals und auf Wettbewerbsvorteilen der wirtschaftlich starken Länder. Die »Lissabon-Strategie« (2000 und 2005) sollte die EU zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt machen. Damit wurden ein gnadenloser Standortwettbewerb und der Wettlauf um die Senkung der Kosten sowohl innerhalb der EU als auch in der Weltwirtschaft verschärft.
■ DIE LINKE fordert gemeinsam mit den Gewerkschaften eine soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen. Soziale Grundrechte, erreichte Standards sowie die Tarifautonomie müssen Vorrang vor der Freiheit der Märkte haben. Wir wollen, dass in den EU-Verträgen neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch soziale Rechte und hohe soziale Standards verankert und Sozialsysteme geschützt werden.
■ DIE LINKE hat den Vertrag von Lissabon abgelehnt. Die Gründe für diese Ablehnung haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Wir fordern eine Revision der Grundsatzverträge der EU, um einen Neustart für eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union zu ermöglichen. Über neue EU-Verträge müssen in allen EU-Mitgliedstaaten Volksabstimmungen abgehalten werden.
■ Wir wollen eine Europäische Union, die Wohlstand und Wohlfahrt für alle und volle soziale Teilhabe für jede und jeden fördert. Dafür brauchen wir einen gerechten und solidarischen Weg aus der Krise. Wir brauchen gute Arbeit, gute Löhne, gute Renten, die vor Altersarmut schützen und den Lebensstandard sichern. Wir brauchen soziale Sicherheit, die vor Armut schützt und sicherstellt, dass nicht Angst und Stress das Leben bestimmen. Und wir müssen die Wirtschaft sozial und ökologisch umbauen, damit die Menschen in Europa und weltweit eine Zukunft haben.
Konkrete Solidarität in der EU äußert sich schon jetzt z.B. in den Struktur-, Kohäsions- und Agrarfonds. Dies soll ausgebaut werden.
1.1 Gerecht und solidarisch aus der Krise
»Ich wünschte, Merkel könnte verstehen, dass Austerität zu abnehmender Leistungskraft der Wirtschaft, zu höherer Arbeitslosigkeit, niedrigeren Löhnen und mehr Ungleichheit führt. Es gibt kein Beispiel für eine große Volkswirtschaft, die durch Austerität zu Wachstum gekommen ist.« Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und Wirtschaftsnobelpreisträger
Seit 2007 ist die Weltwirtschaft in der größten Krise seit 80 Jahren. Für alle ist sichtbar: Der Kapitalismus ist unfähig, die brennendsten Probleme der Menschheit zu lösen. Er verschärft in seiner Tendenz immer die soziale Ungleichheit. Löhne und Gehälter werden gedrückt und die Reichen weitgehend aus der Finanzierung des Gemeinwesens entlassen. Die Suche nach kurzfristigen Anlage- und Profitmöglichkeiten ist zum treibenden Moment der wirtschaftlichen Entwicklung geworden. Gesellschaftlich notwendige öffentliche Infrastruktur, langfristige wirtschaftliche Strukturen, ökologischer Umbau von Energie und Produktion, dringend notwendige Dienstleistungen im Sozialen, in Gesundheit und Erziehung – über die Märkte werden keine Investitionen dorthin gelenkt. Hier brauchen wir demokratische – also politische – Formen der Steuerung von Investitionen.
Für die Krise in Europa waren drei Ursachen besonders bedeutsam:
1. Die Finanzmärkte wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv dereguliert. Neoliberale Politik hat die Regeln des internationalen Finanz- und Bankensystems weitgehend beseitigt. Es wurden Schattenbanken zugelassen wie zum Beispiel Hedgefonds und außerbilanzielle Zweckgesellschaften. Eigenkapitalvorschriften der Banken wurden gelockert und der Handel mit hochriskanten Finanzprodukten erlaubt. Die gesamtwirtschaftliche Kreditvergabe stieg stärker als die Wirtschaftsleistung und führte zu einer weltweiten Finanzkrise.
2. Die Liberalisierung der Finanzmärkte wurde von einer Umverteilung der Einkommen und Vermögen von unten nach oben und einer Privatisierung der Altersvorsorge begleitet. Seit zwei Jahrzehnten steigen die Gewinne weltweit viel stärker als Löhne und Sozialeinkommen. Zudem zahlen große Unternehmen, Banken und Vermögende immer weniger Steuern. Die Massenkaufkraft ist gesunken, höhere Gewinne werden kaum noch investiert. Das so frei gewordene Kapital drängte auf der Suche nach kurzfristigen Anlage- und Profitmöglichkeiten auf die Finanzmärkte und in die Spekulationsblasen. Deregulierung und Umverteilung von unten nach oben führten in nahezu allen EU-Staaten zu einer Banken- und Finanzkrise. Europaweit wurden Rettungsschirme für Banken aufgespannt – auf Kosten der Bevölkerung: Erst durch diese Milliardenzahlungen, mit denen die Banken gerettet werden sollten, wurden die Staatsschulden in vielen EU-Staaten in die Höhe getrieben.
3. Extreme Ungleichgewichte beim Außenhandel in einem gemeinsamen Währungsraum haben zu erheblichen Problemen geführt. Die deutsche Wirtschaft ist auf Export getrimmt worden: mit Niedriglöhnen im Bereich der Dienstleistungen und der Zulieferer. Die Binnennachfrage wurde vernachlässigt. Die übermäßigen Exportüberschüsse der einen (vor allem Deutschlands) sind die Schulden der anderen, weil Letztere ihre Importüberschüsse durch eine Kreditaufnahme bezahlen müssen. Eine Lösung der Krise, ohne die Ungleichgewichte im Handel mit Waren und Dienstleistungen in Europa abzubauen, ist aussichtslos.
1.1.1 Krisenpolitik zerstört Demokratie und Sozialstaat in Europa
»Ich habe ein durchschnittliches Gehalt, etwa 1.000 Euro im Monat. Trotzdem wird die Situation wegen der Sparpolitik immer schlimmer, wir merken das ganz direkt: Die Regierung hat gerade die Sozialversicherungsbeiträge von sieben auf 18 Prozent angehoben. Das Geld fehlt natürlich, zumal alles teurer wird: die Lebensmittel, die Mieten. Erst vor kurzem wurde die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben. Da bleibt am Monatsende nichts übrig, oft wird es schon in der Mitte des Monats knapp, denn die Lebenshaltungskosten sind hier nicht viel niedriger als beispielsweise in Deutschland. Dabei sind die Löhne in Portugal viel niedriger.« Carracedo, Angestellter in Portugal
In der Krise wurde aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) die sogenannte Troika gebildet. Sie entscheidet ohne demokratische Legitimation und vertritt die Interessen von Banken und Konzernen. Die Politik der Troika hat die Krise nicht gelöst. Im Gegenteil: Viele Länder stehen wirtschaftlich schlechter da, die Lebensbedingungen für Millionen Menschen sind prekär. Die Politik der Kürzungen (Austerität) diktiert, in die Krise hinein zu sparen. Das Ergebnis ist verheerend: Die Wirtschaftsleistung sinkt, die Schulden steigen, und die Erwerbslosigkeit – vor allem der Jugend – explodiert. In Griechenland zum Beispiel ist die Wirtschaftsleistung seit 2008 um ein Viertel zurückgegangen. Über 25 Prozent der Griechinnen und Griechen sind inzwischen erwerbslos – vor der Krise waren es weniger als zehn Prozent. Bei den Jugendlichen liegt die Erwerbslosigkeit bei über 60 Prozent. Die von der Troika diktierten Kürzungen – bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen – haben nicht den Staatshaushalt saniert. Über 90 Prozent der »Hilfsgelder« flossen in den Finanzsektor.
Der von Merkel und anderen Regierungen geplante und im Europäischen Rat umstrittene »Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz« setzt diese Politik fort. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten gegenüber der EU-Kommission zu »Strukturreformen«: Arbeitsmärkte weiter deregulieren, Sozialleistungen kürzen und die öffentliche Daseinsvorsorge privatisieren. Der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit ist aber nicht nur ein Angriff auf den Sozialstaat und soziale Rechte in Europa, sondern auch auf Demokratie und einzelstaatliche Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten insgesamt. Die Bundeskanzlerin will die Politik von Niedriglohn und Verarmung der Agenda 2010 auf ganz Europa übertragen. Das wird auf längere Sicht auch in Deutschland zu weiteren Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen führen.
1.1.2 Mit LINKS aus der Krise
DIE LINKE hat als einzige Partei im Deutschen Bundestag die vermeintliche »Euro-Rettung« und den Fiskalpakt abgelehnt. Und wir lehnen auch den geplanten »Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz« ab. Stattdessen müssen Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik der europäischen Staaten aufeinander abgestimmt werden, um eine Dumping-Konkurrenz zu unterbinden.
Wir stehen für ein Europa, in dem nicht griechische Krankenschwestern, portugiesische Rentnerinnen und Rentner, spanische Jugendliche, Beschäftigte in Deutschland oder Menschen mit Behinderungen für die Krise zahlen. Tatsächlich sind »Strukturreformen« notwendig: Statt Löhne, Renten und Sozialleistungen zu kürzen, wollen wir den extremen Reichtum der Millionärinnen und Millionäre europaweit wesentlich stärker zur Finanzierung wichtiger sozialer und ökologischer Investitionen oder Infrastrukturprojekte heranziehen. Ein solches Programm soll europaweit koordiniert werden (vergleiche Kapitel 1.3.1 »Ein europäisches Zukunfts- und Investitionsprogramm«).
Wir wollen ein Europa der solidarischen Nachbarn:
■ in dem die Menschen in der Krise gerettet werden und nicht 90 Prozent der Hilfen an Banken und in den Finanzsektor fließen;
■ in dem die Staaten von der Allmacht der Banken- und Finanzwelt befreit sind und es der Politik nicht darum geht, das »Vertrauen« der Finanzmärkte, sondern das der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen;
■ in dem die Geld- und Kreditschöpfung sowie der Zahlungsverkehr der Banken als gesellschaftlich zentrale Funktionen unter öffentliche und damit demokratische Kontrolle gestellt werden;
■ in dem nicht die Bevölkerungen gegeneinander ausgespielt, sondern Reiche und Vermögende angemessen beteiligt werden, um die Krise zu überwinden;
■ ein Europa, in dem sich die Mitgliedstaaten der EU nicht gegenseitig mit Lohn- und Steuerdumping, Sozialabbau und Privatisierungen niederkonkurrieren. Stattdessen werden gemeinsame Standards in der Sozial- und Steuerpolitik vereinbart, die keine Angleichung nach unten sein dürfen.
In einem ersten Schritt muss die Kürzungspolitik der Troika gestoppt und sofort ein Kurswechsel in der Eurokrisenpolitik eingeleitet werden.
Die zentralen Punkte dabei sind:
■ Länder, die Mittel erhalten, müssen hohe Vermögen und Spitzeneinkommen besteuern bzw. mit Abgaben belegen, um die Reichen an der Finanzierung der Krise angemessen zu beteiligen.
■ Wir wollen Kredite mit einer Sozialstaatsgarantie verbinden: Lohn- und Rentenkürzungen sowie der Abbau von Sozialleistungen werden ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil ist die Kreditvergabe auch an soziale Teilhabeinvestitionen, zum Beispiel in Barrierefreiheit und inklusive Bildung, zu binden.
■ Das Bankensystem muss saniert und private Großbanken müssen vergesellschaftet, streng reguliert und wie die Sparkassen dem Gemeinwohl verpflichtet werden (vergleiche Kapitel 1.1.3 »Banken entmachten – Finanzmärkte regulieren«).
■ Die Ausgaben für Militär und Rüstung müssen jährlich abgebaut werden, um perspektivisch auf null zu sinken;
■ Steuerdumping für Unternehmen muss unterbunden werden.
»Wir zahlen nicht für eure Krise« war eine Parole der europaweiten Protestbewegung gegen die Kürzungspolitik. DIE LINKE hat sich zu Beginn der Krise dafür eingesetzt, dass Verursacher und Profiteure der Krise mit einem Schuldenschnitt zur Kasse gebeten werden. Die Politik der »Bankenrettung« hat die privaten Gläubiger durch öffentliche Mittel abgesichert. Ein Schuldenschnitt könnte jetzt auf Kosten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gehen. Die Legitimität der Schulden von Staaten bei privaten Banken muss überprüft und Gegenstand eines demokratischen Prozesses werden. Deshalb fordern wir ein Schuldenaudit (Überprüfung der Legitimität des Schuldenbestands) und einen substanziellen Schuldenschnitt für illegitime Schulden, um Banken und andere private Gläubiger an der Finanzierung zu beteiligen.
■ Die öffentlichen Haushalte sollen von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden, indem die Staaten sich auch bei der EZB in einem festgelegten Rahmen günstig finanzieren können und nicht mehr allein auf die Finanzmärkte angewiesen sind.
■ Wir wollen den Schuldenstand bei überschuldeten Staaten sozial verträglich durch eine kombinierte Anwendung von Schuldenschnitt und Millionärsabgabe auf Vermögen senken.
■ Statt die Menschen Europas mit immer neuen Kürzungspaketen zu überziehen, setzen wir darauf, durch Investitionen vor allem in Daseinsvorsorge, Infrastruktur und Bildung, aber auch in moderne und nachhaltige Industrien und Dienstleistungen Arbeitsplätze zu schaffen, jungen Menschen in ihren Ländern eine Perspektive zu geben und die jeweiligen Volkswirtschaften zu stärken.
■ Wir wollen die Ungleichgewichte in der Eurozone durch solidarische Regeln vermeiden. Dazu gehört unter anderem eine effektive Koordinierung der Lohn- und Steuerpolitik, die Lohn- und Steuerdumping verhindert. Dazu gehört auch ein europäischer Ausgleichsmechanismus. bei dem die Handelsungleichgewichte innerhalb der Eurozone berücksichtigt und ausgeglichen werden.
Ohne die Banken zu entmachten, die Reichen europaweit an den Kosten der Krise zu beteiligen und die massiven außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte abzubauen, wird jeder Versuch, die Krise zu lösen, scheitern.
1.1.3 Banken entmachten – Finanzmärkte regulieren
»In den Jahren 2008 bis 2011 haben die EU-Staaten ihren Banken Hilfsgelder und Garantien in einem Umfang von 4,5 Billionen Euro bereitgestellt. In der EU stiegen in diesem Zeitraum die Staatsschulden um 24 Prozent.« EU-Kommission 2012
DIE LINKE lehnt die europäische »Bankenunion« in ihrer beschlossenen Form ab. Die Bankenaufsicht liegt ab November 2014 in der Verantwortung der Europäischen Zentralbank – ohne demokratische Kontrolle. Zudem ist sie selbst als Kreditgeber der Banken mit der Aufsicht der Banken in einem permanenten Interessenskonflikt. Der geplante einheitliche Mechanismus zur Abwicklung von Banken (SRM) entlässt Eigentümer und Gläubiger der Pleitebanken aus ihrer Verantwortung und sieht keine Vergesellschaftung und Verkleinerung von systemrelevanten Großbanken vor. Der angestrebte europäische Abwicklungsfonds, der sich aus Abgaben der Banken finanzieren soll, ist viel zu klein, um künftige Bankenkrisen bewältigen zu können. So werden weder künftige Krisen noch Bankenrettungen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verhindert. Der geplante Rückgriff auf den aus Steuermitteln gespeisten Europäischen Stabilitäts-Mechanismus ESM verdeutlicht dies.
■ DIE LINKE steht für eine grundlegende Regulierung des europäischen Banken- und Finanzsektors. Eigentümer und Gläubiger müssen für ihr privates Geschäftsrisiko auch haften. »Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert« – diesem Prinzip der Bankenrettungspolitik stellen wir uns entgegen.
■ Jede Bank in Europa muss auch abgewickelt werden können. DIE LINKE fordert im Pleitefall eine kontrollierte Insolvenz maroder (Groß-)Banken. In diesem Verfahren müssen zunächst die Eigentümer und dann die Gläubiger für die Verluste der Bank herangezogen werden. Die Einlagen der Kleinsparerinnen und Kleinsparer sowie gewerbliche Kredite sind dabei öffentlich abzusichern.
Der Bankensektor in Europa muss grundlegend umgebaut werden: Die Aufgaben und Funktionen müssen neu gefasst werden. Das Investmentbanking – bei dem ohne Nutzen für die Realwirtschaft mit vielen Risiken auf den Finanzmärkten spekuliert wird, um hohe Renditen zu erzielen – ist als Geschäftsfeld abzuwickeln.
■ DIE LINKE fordert die Einführung eines Finanz-TÜVs, der die Geschäftspraktiken der Finanzbranche und sämtliche angebotenen Finanzprodukte prüfen und vor der Einführung genehmigen muss.
■ Die geltenden Eigenkapitalquoten für Banken (Basel III) müssen deutlich erhöht werden.
■ Schattenbanken wie außerbilanzielle Zweckgesellschaften, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften müssen aufgelöst werden bzw. die Verbindung zu Schattenbanken im Ausland gekappt werden.
■ Dagegen sind kommunale und genossenschaftliche Geldinstitute, die vor allem die regionale Wirtschaft und Infrastruktur fördern, gezielt zu unterstützen.
■ Private Großbanken wollen wir in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung überführen.
■ Gegen das Monopol der privaten Rating-Agenturen wollen wir eine öffentliche europäische Rating-Agentur schaffen. Ratings von souveränen Staaten und Gebietskörperschaften lehnen wir ab. Ratings privater Agenturen dürfen nicht Gegenstand von verbindlichen Regeln der EU sein.
■ Die EZB darf nicht nur für Preisstabilität zuständig sein, sondern muss gleichrangig auf die Förderung von nachhaltiger Entwicklung und Beschäftigung verpflichtet werden. Sie muss durch das Europäische Parlament demokratisch kontrolliert werden.
Die Deregulierung des Finanzsektors wie auch die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, die zum Ausbruch der Krise mitbeigetragen haben, wurden auch auf Druck von Kreditinstituten politisch durchgesetzt.
Die wirklichen Verursacher und Profiteure der Krise – und der hohen Staatsschulden – müssen zur Verantwortung gezogen werden:
■ Wir fordern eine Bankenabgabe, um den europäischen Bankensektor gezielt an den Krisenkosten zu beteiligen.
■ Der Kampf gegen Steuerflucht muss verschärft werden: durch automatische Meldepflichten für Banken, die Möglichkeit, verdächtige Guthaben einzufrieren, Entzug von Banklizenzen für nichtkooperative Banken und verbesserte Strafverfolgung gegen Steuerhinterziehung und durch Kapitalverkehrskontrollen.
■ Die öffentliche Kreditaufnahme muss von den Finanzmärkten befreit werden. Die EZB soll die Staaten in der Euro-Zone in einem festgelegten Rahmen direkt finanzieren. Als einen ersten Schritt fordert DIE LINKE die Gründung einer europäischen Bank für öffentliche Anleihen.
■ Um die Finanzspekulation gegen einzelne Euro-Mitgliedstaaten zu verhindern, fordern wir die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen aller Euro-Staaten (Eurobonds).
1.1.4 Umsteuern: Profiteure der Krise zur Kasse
»Das Vermögen der europäischen Millionäre übertrifft mit etwa 14 Billionen Euro die gesamte Staatsverschuldung aller EU-Staaten, die bei 11 Billionen Euro liegt.« Global Wealth Report 2013
Der private Reichtum in Europa muss gerechter verteilt werden.
■ DIE LINKE fordert gemeinsam mit der Europäischen Linken, in allen EU-Staaten eine einmalige Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro zu erheben. Damit sollen die durch Bankenrettung und Finanzkrise entstandenen Staatsschulden zurückgeführt und die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand verbessert werden.
■ Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent ist überfällig.
Gerechte Steuern in Europa
Wir setzen uns dafür ein, dass die Steuerpolitik zwischen den Staaten der EU koordiniert wird. Steuerdumping und Steuerflucht wollen wir so beenden. Die EU-Kommission geht davon aus, dass den EU-Staaten jährlich bis zu einer Billion Euro durch Steuerflucht und Steuerhinterziehung verloren gehen. Multinationale Konzerne nutzen (meist legale) Steuerschlupflöcher, Gewinne werden hin- und hergeschoben. In der EU herrscht ein Unterbietungswettbewerb: Luxemburg bietet Steuerbefreiung, Irland wirbt mit Niedrigsätzen.
■ DIE LINKE fordert einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen mit breiten und einheitlichen Bemessungsgrundlagen.
■ Um Steuerflucht wirksam zu bekämpfen, wollen wir in der EU die Steuerpflicht der Bürgerinnen und Bürger an die Staatsbürgerschaft binden.
■ Wir wollen Steueroasen innerhalb und außerhalb der EU austrocknen: Doppelbesteuerungsabkommen mit unkooperativen Staaten sind zu kündigen und ggf. Steuern direkt an der Quelle zu erheben, um Steuertricks von Konzernen, wie die konzerninterne Verschiebung von Gewinnen und Verlusten, zu unterbinden. Banken, die in Steueroasen operieren, ist die Lizenz zu entziehen.
Für einen gerechten und solidarischen EU-Haushalt
Der Mehrjährige Finanzrahmen 2014–20 ist der erste Kürzungshaushalt in der Geschichte der Europäischen Union, obwohl die Union größer geworden ist. Damit kann der gewachsenen Armut und den Herausforderungen an europäische Politik im Bereich Nachhaltigkeit, Inklusion und Barrierefreiheit sowie Klimawandel und Ressourcenknappheit nicht hinreichend begegnet werden. Wir kritisieren den Haushaltskompromiss, weil für die zu begleichenden Verbindlichkeiten nicht genügend Mittel eingestellt sind. DIE LINKE fordert einen Politikwechsel in der EU-Haushaltspolitik!
Der EU werden von den Mitgliedstaaten, insbesondere von der Bundesrepublik, regelmäßig Zahlungen versagt. Wir verlangen von der Bundesregierung, ihre unseriöse Politik im Rat einzustellen und stattdessen dafür zu sorgen, dass die EU ihre gesetzlich verbrieften Mittel unverzüglich erhält. EU-Haushaltspolitik darf keine Erpressungspolitik gegenüber Mitgliedstaaten zur Umsetzung des Fiskalpaktes sein.
■ Der EU-Haushalt sollte vom Parlament alleine beschlossen werden und bis zu 3 Prozent des Brutto-Nationaleinkommens (derzeit: 1,23 Prozent) der EU betragen können, um das Parlament aufzuwerten und soziale Politik auf EU-Ebene beschließen zu können.
■ Statt reichen EU-Mitgliedstaaten komplexe Rabattsysteme einzuräumen, muss die Mittelverteilung nach der Notwendigkeit und den realen Erfordernissen der Regionen erfolgen. Nationale Egoismen dürfen nicht den Haushalt diktieren. Der EU sollen stärkere Eigeneinnahmen gewährt werden.
■ Die Kürzungen bei der Regional- und Strukturpolitik im EU-Haushalt müssen zurückgenommen werden. Wir setzen uns für eine Evaluation der geflossenen Mittel ein, der Abbau von Benachteiligungen in den Regionen muss forciert werden. Deutschlands Regionen benötigen auch weiterhin Strukturhilfen der EU.
■ Die EU-Haushaltspolitik muss solidarisch und berechenbar gestaltet sein und ermöglichen, dass die Infrastruktur gefördert und Beschäftigung gesichert wird. Es dürfen keine Haushaltsmittel für die Rüstungsforschung und Sicherheitsindustrie zur Verfügung gestellt werden. Eine wirksame Jugendförderung, die auch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft, muss den Vorrang haben.
■ Wir wollen eine EU-Armutsstrategie, die mit ausreichenden Mitteln im Haushalt untersetzt ist. Auch Energieeffizienz und eine Energiepolitik, die auf erneuerbare Energien setzt, müssen gefördert werden. Andere Energiemodelle bedürfen keiner Förderung. Für die Entwicklungs- und Nachbarschaftspolitik müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
■ Wir wollen gesamteuropäische Investitionsprogramme in sozialen Querschnittsbereichen wie Barrierefreiheit und inklusives lebenslanges Lernen.
1.1.5 Solidarisch miteinander statt ruinöser Wettbewerb
»Deutschland hat in den Jahren 2000 bis 2010 Exportüberschüsse in Höhe von über 1.000 Milliarden angehäuft. Im selben Zeitraum mussten allein Griechenland und Portugal 377 Milliarden an Leistungsbilanzdefiziten finanzieren.« Eurostat
Auch wenn die Europäische Währungsunion große Konstruktionsfehler enthält, tritt DIE LINKE nicht für ein Ende des Euro ein. Voraussetzung für dessen Fortbestand ist, dass der Kurs der Kürzungspolitik (Austerität) beendet wird. Die Währungsunion muss neu ausgerichtet werden, damit sie nicht Spaltungen weiter vertieft, sondern die gravierenden Ungleichheiten überwindet und eine friedliche und fruchtbare Zusammenarbeit in Europa befördert. Eine einheitliche Geldpolitik für eine Gruppe von Staaten mit völlig unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen und Arbeitsmärkten führt dazu, dass sich die Unterschiede dieser Länder eher verstärken. In der Logik des Wettbewerbs gibt es nur einen oder wenige Gewinner, und Gewinner gibt es nur, wenn es auch Verlierer gibt.
DIE LINKE strebt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten der EU und gegenüber dem Rest der Welt an, um neue Schulden- und Währungskrisen zu verhindern. Staaten, die einen großen Überschuss an Exporten haben, müssen diesen zurückfahren. Dafür muss die Binnennachfrage durch höhere Löhne, öffentliche Investitionen und den Ausbau des Sozialstaats gestärkt werden. Staaten, die übermäßig auf Importe angewiesen sind, müssen ihre Wirtschaftsleistung durch Investitionen in den Strukturwandel stärken. Besonders dauerhafte Exportüberschüsse innerhalb der EU müssen sanktioniert werden, um den Strukturwandel in den Krisenstaaten zu finanzieren und dort eine expansive Wirtschaftspolitik zu unterstützen (Ausgleichsunion). Ein Abbau der Ungleichgewichte würde sowohl die Situation der Lohnabhängigen in den exportorientierten Ländern (z.B. Deutschland) als auch die wirtschaftliche Entwicklung in den Krisenstaaten verbessern.
Eine Lehre aus der aktuellen Krise muss eine Reform der Europäischen Währungsunion (EWU) sein, indem außenwirtschaftliche Gleichgewichte zwischen den Mitgliedern der EWU als Ziel verankert werden und auf Überschuss- und Defizit-Länder entsprechend Druck zur Anpassung gerichtet wird.
Wir wollen einen Ausgleichs-Fonds einrichten. Wenn die genannten Reformen ausbleiben, werden Kompensationszahlungen fällig. Das gilt auch, wenn Kosten für Bildung und Ausbildung auf andere Staaten ausgelagert werden, indem qualifiziertes Fachpersonal aus anderen Ländern abgeworben wird. Aus dem Ausgleichs-Fonds werden dringend benötigte Investitionen in Infrastruktur und wirtschaftlichen Aufbau finanziert.
1.2 Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit in ganz Europa!
Angela Merkel und die Europäische Kommission wollen die EU zur »wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Ökonomie der Welt« machen. Doch während die EU-Diplomaten von Vollbeschäftigung reden, haben sie Niedriglöhne und prekäre Jobs durchgesetzt. Absichtserklärungen zur »Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung« stehen erzwungenen Lohn- und Rentenkürzungen sowie einer Politik des Sozialabbaus und der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge gegenüber. Der Flickenteppich von ungleichen Lebensverhältnissen in der EU ist in hohem Maße Ergebnis der neoliberalen EU-Politik in den vergangenen Jahrzehnten – die aufgezwungene Kürzungs- und Privatisierungspolitik hat die Schere zwischen Arm und Reich weiter vertieft, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen weiter verstärkt, prekäre Arbeit und Niedriglöhne ausgeweitet. Gemeinsam mit anderen linken Parteien streiten wir für eine EU, in der Massenerwerbslosigkeit und massive Armut der Vergangenheit angehören und Jugend eine Zukunft hat.
Die Antwort der europäischen Linken auf die Krise in Europa muss ein gemeinsamer Widerstand über Ländergrenzen hinweg sein: für eine Beschäftigungsoffensive und höhere Löhne, für bessere Sozialstandards, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, und wirksame Beschäftigtenrechte sowie für eine Mindestsicherung, die vor Armut schützt. Wir beschränken uns nicht auf abstrakte Richtlinien und parlamentarische Berichterstattung – wir kämpfen gemeinsam und an konkreten Projekten mit Beschäftigten, Gewerkschaften, Bewegungen und linken Parteien. Vor Ort und europaweit. Gewerkschaften, Sozialverbände und gesellschaftliche Initiativen, linke Parteien und soziale Bewegungen müssen sich europaweit organisieren.
1.2.1 Gute Arbeit statt niedriger Löhne und unsicherer Jobs. Arbeitszeit verkürzen!
»Ein soziales Europa wird nicht durch Sozialabbau und Lohndumping erreicht!« Martin Hellwig, Gemeinschafts-Betriebsrats-Vorsitzender Flughafen Hamburg, zum Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping an Flughäfen
Immer mehr Menschen haben unsichere Jobs und sind gezwungen, in Leiharbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen oder unfreiwillig in Teilzeit zu arbeiten: In allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nur noch weniger als die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse unbefristet und tarifvertraglich bezahlt. Arm trotz Arbeit durch Niedriglöhne, Unsicherheit durch Befristungen, Praktika und Leiharbeit, Entfremdung von Partnern, Familie und Freunden – das alles ist Resultat dieser Politik. Frauen, jüngere und ältere Beschäftigte trifft es dabei besonders hart. »Flexicurity« nennt sich das – ein Kunstwort der Europäischen Politik aus »flexibility« (Flexibilität) und »security« (Sicherheit). Es gaukelt vor, dass eine höhere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt mit mehr sozialer Sicherheit einhergeht. Doch während der Kündigungsschutz geschleift und prekäre Jobs gezielt gefördert wurden, bleibt die soziale Sicherheit auf der Strecke. Das Ergebnis: Viel Flexi – wenig Security!
DIE LINKE setzt sich für ein neues Beschäftigungsleitbild für Europa ein: »Gute Arbeit«. Europa braucht ein Leitbild für unbefristete Beschäftigung, von der armutsfest ein eigenständiges Leben gestaltet werden kann und die nicht krank macht. Und das volle gesellschaftliche Teilhabe, Bildung, Kultur, ehrenamtliches Engagement und Muße ermöglicht – für jede und jeden
Niedriglöhne bekämpfen: Die EU soll der Sozialcharta des Europarats beitreten. Kurzfristig brauchen wir eine verbindliche europäische Mindestlohnregelung in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohns. Diese kann gesetzlich oder tarifvertraglich auf nationaler, regionaler oder Branchenebene gewährleistet werden – muss aber in jedem Mitgliedstaat allen Beschäftigten einen existenzsichernden Lohn garantieren.
Arbeitszeitverkürzung: Wir machen uns für die Begrenzung und drastische Verkürzung von (Höchst-)Arbeitszeiten stark. Die Ausnahmeregelungen und Lücken in der EU-Arbeitszeitrichtlinie müssen beseitigt werden. Wir wollen eine allgemeine verbindliche Höchstarbeitszeit von zunächst 40 Stunden die Woche festsetzen. Weniger Arbeitszeit heißt für viele: bessere Arbeit
■ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Verbindliche Richtlinien bei Leiharbeit, Dienstleistung und Entsendung sind notwendig. Beschäftigte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt und als Lohndrücker oder Streikbrecher missbraucht werden – wir wollen überall in Europa gute Arbeit und gute Löhne. Wir setzen uns für ein Verbot der Leiharbeit und für den Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort für Mann und Frau« ein.
■ Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit: Im Durchschnitt verdienen Frauen in der EU fast 17 Prozent weniger. Damit muss endlich Schluss sein!
Gute Arbeit umfasst auch die Tätigkeiten, die der Fürsorge, Entwicklung und Pflege der Menschen selbst gelten und überwiegend von Frauen unbezahlt oder in schlecht bezahlten Jobs ausgeführt werden.
■ Wir wollen, dass Frauen und Männer durch Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit das Recht und die Zeit haben, gleichermaßen an Erwerbs- und Sorgearbeit (auch für sich selbst) teilzuhaben.
■ Wir wollen so die Arbeitsteilung der Geschlechter überwinden, die immer noch viele daran hindert, ein gutes Leben führen zu können.
Für eine umfassende »Jugendgarantie«: Die Pläne der EU reichen bei weitem nicht. Um die Massenerwerbslosigkeit der Jugend in Europa zu bekämpfen, müssen Arbeitsplätze durch ein europäisches Zukunftsinvestitionsprogramm geschaffen und ein Recht auf Ausbildung und Übernahme eingeführt werden. Dafür sind neue EU-Mittel zur Verfügung zu stellen. DIE LINKE setzt sich für ein Sofortprogramm für Menschen ohne abgeschlossene Berufsbildung ein. Jeder junge Mensch muss die Möglichkeit einer Berufsausbildung in seiner Region erhalten.
■ Menschen mit Behinderungen brauchen ein europäisches Förderprogramm »Beschäftigung und Ausbildung« und Anreize wie auch Verpflichtungen für die Unternehmen, barrierefreie Arbeitsbedingungen zu schaffen
■ Kampf der prekären Arbeit: Wir wollen europaweit unsichere und befristete Jobs in sozialversicherungspflichtige, unbefristete Arbeitsverhältnisse umwandeln. Sachgrundlose Befristungen wollen wir ausschließen.
■ DIE LINKE tritt für die gezielte Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe ein, um regionale Produktion und Verbrauch und damit insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen zu stärken. Eine sich selbsttragende Wirtschaft schützt auch Arbeitsplätze vor Ort. Förderkriterien zur Strukturmittelvergabe sind für uns vor diesem Hintergrund das Prinzip der guten Arbeit, soziale und ökologische Standards.
Migrantinnen und Migranten dürfen nicht als kurzfristige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Im Rahmen einer Europäischen Teilhabe-Agenda sollen die Länder der Europäischen Union zur rechtlichen, politischen und sozialen Gleichstellung aller Migrantinnen und Migranten verpflichtet werden. Wir sprechen uns gegen Arbeitsverbote für Asylsuchende und für faire Arbeitsbedingungen für Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus aus. Personen, die in der EU erwerbstätig sind, müssen durch Gesetz einen legalen Aufenthaltsstatus erhalten, wenn sie den Behörden eine bisher nicht offengelegte Erwerbstätigkeit mitteilen.
■ Um stabile Beschäftigung zu sichern, wollen wir grenzüberschreitende Wirtschaftskooperationen und die Vernetzung von Arbeitsmärkten in den Grenzregionen weiter befördern.
Die Beschäftigten, Gewerkschaften und andere soziale Bewegungen müssen ihre Kämpfe in Europa koordinieren und verstärken. DIE LINKE ist dabei: gegen die Arbeitszeitverlängerung für Fernfahrer ebenso wie gegen die Einschränkung des Kündigungsschutzes für junge Beschäftigte in Frankreich.
Gewerkschaften und Tarifverträge müssen europaweit gestärkt werden. Wir wollen Mindestregelungen für ein europäisches Tarif- und Sozialsystem und Möglichkeiten grenzüberschreitender Tarifverträge und Streikaktivitäten verbessern. Jeder/jedem abhängig Beschäftigten müssen Streikrecht und Koalitionsfreiheit offenstehen. Das Recht auf politischen Streik muss in ganz Europa gelten – auch in Deutschland.
■ Die Möglichkeit, durch Verlagerung des Unternehmenssitzes innerhalb der EU das Mitbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten zu umgehen und so die Wirtschafts- und Sozialordnungen gegeneinander auszuspielen, muss unterbunden werden.
■ Insbesondere bei Massenentlassungen und Betriebsverlagerungen müssen die Rechte der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften gestärkt werden – eine Verlagerungsabgabe soll verhindern, dass Unternehmen für kurzfristige Renditen verlagert werden; sie sollen an der Finanzierung der gesellschaftlichen Kosten von Betriebsschließungen beteiligt werden. Massenentlassungen in profitablen Betrieben müssen verboten werden.
■ Wir wollen Solidarität und Kooperation der Beschäftigten über nationale Grenzen hinweg stärken. Die tausend europäischen Betriebsräte, die grenzüberschreitende Solidarität, Information und Zusammenarbeit ermöglichen, sind ein erster Schritt.
■ DIE LINKE lehnt die von der EU-Kommission geplante »Verordnung für den Zugang zum Markt für Hafendienste (Port Package III)« und die darin enthaltene Einschränkung des Streikrechts grundsätzlich ab.
Die Ausgestaltung einer sozialen und demokratischen Wirtschaftsweise erfordert demokratische Kontrolle, Teilhabe und Mitspracherechte. Wir wollen das Genossenschaftsrecht stärken, regionale Wirtschaftskreisläufe unterstützen und den Ausbau von Belegschaftseigentum voranbringen.
1.2.2 Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung: soziale Rechte
»Wir haben uns entschieden, dass wir nicht zulassen werden, dass unsere Familien für die aktuelle ökonomische Krise zahlen. Wir werden nicht auf der Straße schlafen, während es Tausende von leerstehenden Wohnungen gibt. Deshalb haben wir beschlossen, uns in dem Gebäude einzuquartieren, das seit einigen Jahren leer steht und das vor dem Hintergrund der aktuellen ökonomischen Entwicklung noch lange Zeit leer stehen wird.« Erklärung von fünf Familien, die im spanischen Sevilla am 30. August 2012 in ein leerstehendes Haus eingezogen sind
Durch Sozialabbau und Kürzungspolitik, durch Massenerwerbslosigkeit und Niedriglöhne ist die Armut in Europa angewachsen. Jede und jeder Vierte ist arm oder armutsgefährdet – besonders betroffen sind Kinder und ältere sowie behinderte Menschen. Anstatt Armut und Ausgrenzung konsequent zu bekämpfen, fordern die Regierungschefs der EU-Staaten bei Rente und Gesundheitsversorgung weitere Kostensenkungen und mehr Eigenvorsorge – faktisch heißt das: Zwei-Klassen-Medizin und mehr Zuzahlungen, geringere Renten und mehr Altersarmut.
Wir wollen die öffentliche Daseinsvorsorge stärken und vor weiteren Privatisierungen schützen – nur so kann allen Menschen ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung, Gesundheit, kostengünstiger Energie und sozialer Sicherheit gewährleistet werden. Wir fordern daher die Rücknahme aller EU-Richtlinien und -Verordnungen der letzten Jahrzehnte, die als Grundlage und Vorwand für Privatisierung, Liberalisierung und Zerschlagung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge gedient haben. Wir solidarisieren uns mit Protesten gegen Zwangsräumungen. Banken werden mit Steuergeld gerettet und Familien mit Kindern auf die Straße gesetzt, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Das nehmen wir nicht hin!
Die Europäische Union soll Programme zur Verbesserung der sozialen Sicherheit in Richtung auf volle gesellschaftliche Teilhabe verbindlich verabreden und überwachen. Die Ausgaben für soziale Sicherung sollen europaweit mindestens genauso stark wie das Bruttosozialprodukt steigen – so kann Sozialdumping verhindert und eine Konkurrenz der Mitgliedstaaten auf dem Rücken von Familien, Beschäftigten, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Rentnerinnen und Rentnern verhindert werden.
■ Während die Europäische Union nur die Freiheit des Wettbewerbs kontrolliert, wollen wir, dass die Einhaltung von sozialen Vorschriften EU-weit überprüft und Verstöße dagegen geahndet werden.
■ Deutschland und die Europäische Union müssen der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarats samt ihren Zusatzprotokollen beitreten und insbesondere das Recht auf eine Wohnung, den besonderen Schutz Älterer und von Menschen mit Behinderungen, den Schutz vor Armut und Ausgrenzung umsetzen. Wir wollen den Gewerkschaften ein Beschwerderecht beim Europarat einräumen, um Verstöße gegen die sozialen Grundrechte zu ahnden und Klagen zu ermöglichen.
Wir wollen die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zum verbindlichen Kernziel der Europäischen Union machen. Mit Kinderarmut werden wir uns niemals abfinden!
■ DIE LINKE unterstützt verbindliche Zielvorgaben für die Bekämpfung von Armut – so brauchen wir eine EU-Vorgabe, die für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Rente im Rahmen der Sozialversicherungen ein Einkommen in Höhe von mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens vor Ort (für Experten: »des mittleren nationalen Nettoäquivalenzeinkommens«) gewährleisten soll.
■ Alle Bürgerinnen und Bürger Europas sollen unabhängig von der Erwerbsbiografie, Herkunft oder Nationalität sowie dem Vorliegen einer Behinderung Anspruch auf soziale Mindestsicherung an ihrem Wohnort haben. In Deutschland sind das derzeit 1.050 Euro. In Ländern mit niedrigem Einkommensniveau werden Warenkörbe zu Überprüfung der ausreichenden Höhe ergänzend herangezogen.
■ Initiativen zur Erhöhung der Renteneintrittsalter erteilen wir eine klare Absage: Wir sagen Nein zur Rente erst ab 67 in Deutschland und Nein zu einer europaweiten Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.
■ Vorschläge der Europäischen Kommission zu einer weiteren Privatisierung der Altersvorsorge sind der falsche Weg. Sie nützt vor allem der Versicherungsindustrie und pumpt Kapital auf die Finanzmärkte, das nach kurzfristiger Rendite sucht. So werden Spekulationsblasen vorbereitet und gefährden die Renten. Wir wollen stattdessen das Umlageverfahren in der Rentenversicherung stärken und Altersarmut europaweit bekämpfen.
Teile der LINKEN vertreten das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, um das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Dieses Konzept wird in der Partei kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wollen wir weiterführen und unterstützen entsprechende Diskussionsinitiativen und Prüfaufträge auf europäischer Ebene.
Alle Mitgliedstaaten sollen grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Energie u.a. allgemein und verpflichtend zur Verfügung stellen und für alle Menschen unabhängig vom Geldbeutel zugänglich machen.
■ DIE LINKE engagiert sich für europäische Mindestnormen, die eine gleichberechtigte Grundversorgung mit Wohnraum, Wärme, Wasser, Zugang zum Internet und Energie sicherstellen. Europaweit soll es ein kostenfreies Grundkontingent für jeden Haushalt an Wärme, Wasser und Energie, Telefon und Internetzugang geben.
■ Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen – wie das Gesundheits- und Bildungssystem sowie weitere Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wie ÖPNV und Energie – lehnen wir ab. DIE LINKE hat die europäische Bürgerinitiative gegen die Privatisierung des Wassers unterstützt. DIE LINKE unterstützt weiterhin aktiv parlamentarische und außerparlamentarische Initiativen zur Rekommunalisierung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Für uns ist die Rekommunalisierung ein wichtiger politischer Schwerpunkt.
■ Wir wenden uns gegen eine europäische Zwei-Klassen-Medizin. Eine auskömmliche gesundheitliche Versorgung ist ein Grundrecht. Bei Schwangerschaft und Krankheit müssen deshalb ambulante und stationäre medizinische Versorgung, Vor- und Nachsorge allen in der EU lebenden Menschen unabhängig von ihrer sozialen Lage zugänglich sein. Eine Krankenversicherungspflicht für alle Bürgerinnen und Bürger der EU ist für uns unverzichtbar. Der Zugang zu Verhütungsmitteln und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch müssen gewährleistet sein.
■ Zwangsräumungen müssen europaweit verhindert werden.
Alle Programme und Aktivitäten der Europäischen Union – von der Neugestaltung des Urheberrechts über die Förderpolitik bis hin zum Datenschutz – müssen auf soziale Standards und gute Arbeitsbedingungen orientiert werden.
■ DIE LINKE unterstützt die Jugendfreiwilligendienste, um jungen Menschen Erfahrungen im Ausland zu ermöglichen. Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement darf aber nicht als Lückenbüßer für Sozialabbau und zum Ausbau des Niedriglohnsektors missbraucht werden.
■ Wir bekämpfen alle Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Glaubens, von Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderungen, ethnischen Minderheiten und von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft, im Bildungsbereich, im sozialen und kulturellen Leben. Verstöße gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU müssen konsequent geahndet werden. Deutschland muss die Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie endlich unterzeichnen.
Wir setzen uns für eine menschenrechtsbasierte, selbstbestimmte Behindertenpolitik ein. Die UN-Behindertenrechtskonvention muss in allen Mitgliedstaaten ratifiziert und wirksam umgesetzt werden. Die »Europäische Strategie für Menschen mit Behinderungen 2010–2020« muss ohne Kostenvorbehalt praktisch ausgestaltet werden. Die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und älterer Menschen muss durch einkommens- und vermögensunabhängige Nachteilsausgleiche und Barrierefreiheit, durch eine Seniorenpolitik und hochwertige Pflegeleistungen im Sinne eines selbstbestimmten Lebens sowie eine europaweite Antidiskriminierungspolitik gesichert werden. Die Bundesrepublik Deutschland darf die Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie nicht länger blockieren. Bestehende Nachteilsausgleiche sollen grenzüberschreitend über einen europäischen Behindertenausweis in allen EU-Staaten gelten. Die Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen, auch in den Parlamenten, muss gefördert werden.
1.3 Wirtschaft sozial und ökologisch umgestalten
1.3.1 Ein europäisches Zukunfts- und Investitionsprogramm
DIE LINKE kämpft gegen eine EU, die auf den Kapitalismus als »letztes Wort der Geschichte« fixiert ist und sich an eine neoliberale Wirtschaftspolitik mit ihren Verträgen kettet.
Die neoliberale Ausrichtung der Europäischen Union hat die Entscheidungen über Investitionen dem Markt überlassen. Ungesteuert sind sie vor allem in Anlagen mit kurzfristigen Profitversprechen gegangen. Das hat dazu geführt, dass einige Regionen kaum noch eigene Industrie haben und auf Importe zurückgeworfen sind. Die Maßnahmen zur Verbesserung der »Wettbewerbsfähigkeit«, die der Europäische Rat plant, sind kein neuer Weg, sondern vertiefen die Probleme. Wir wollen ein integriertes Konzept demokratisch kontrollierter wirtschaftlicher Zukunftsentwicklung für Europa. In einigen Regionen auch im Osten Deutschlands sind die positiven Ergebnisse der Regionalförderung durchaus deutlich.
DIE LINKE strebt ein EU-weit koordiniertes Zukunftsprogramm an, das Investitionen am gesellschaftlichen Bedarf, nicht am Profit ausrichtet. Mit öffentlichem Geld müssen öffentliche Investitionen gefördert werden. Statt nationaler Konkurrenz und Standortwettbewerbs brauchen wir eine aktive, staatliche Politik zur Schaffung von Produktionsschwerpunkten. Das Investitions- und Zukunftsprogramm, wie es auch der Europäische Gewerkschaftsbund vorschlägt, muss das Öffentliche stärken, Beschäftigung und Sozialstaat ausbauen und die Daseinsvorsorge im Wesentlichen öffentlich organisieren und in die Hände der Bevölkerung zurückgeben. So stärken wir auch europäische, regionale und kommunale Demokratie in ihren sozialen Grundlagen.
Das Investitionsprogramm soll:
■ die Infrastruktur durch öffentliche Investitionen (z.B. Verkehrs- und Kommunikationsnetze wie Schienen, Straßen und Breitband-Internet) verbessern;
■ sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft und Klimaschutz voranbringen;
■ das Bildungssystem verbessern und inklusiv ausgestalten, vom Vorschulbereich bis zu den Hochschulen;
■ Barrierefreiheit als verbindlichen Bau-, Reise- und Kommunikationsstandard sowie als Vergabekriterium festschreiben und umsetzen;
■ Wohnmöglichkeiten für junge Menschen, für Ältere und für gesundheitlich Beeinträchtigte verbessern und bezahlbar machen;
■ soziale Dienstleistungen insbesondere in Gesundheitswesen und Pflege verbessern und ausbauen;
■ öffentliche Verwaltung modernisieren und wirksamer gestalten, insbesondere auch Steuervollzug, Gewerbeaufsicht, Genehmigungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen;
■ bessere Chancen für junge Menschen am Arbeitsmarkt schaffen;
■ die Lebenschancen von Menschen unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund verbessern und Menschen mit Migrationshintergrund eine bessere gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen;
■ Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung vermindern. Damit wird auch der soziale Zusammenhalt gestärkt. Wir brauchen demokratische Foren wie regionale Wirtschafts- und Sozialräte oder auch Public-Equity-Fonds, die den Strukturwandel ökologisch und sozialverträglich gestalten können.
■ Mit der Europäischen Linken schlagen wir einen Fonds für soziale, inklusive, solidarische und ökologische Entwicklung vor. Er soll vor allem öffentliche und soziale Dienstleistungen fördern. Der Fonds muss wie die Investitionsprogramme demokratisch gesteuert werden. Dabei spielen Parlamente, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle. In unserem Konzept einer aktiven Wirtschaftspolitik bilden öffentliche Investitionen den Kern. Wir verbinden sie mit einer Industrie- und Strukturpolitik, die Demokratie in der Wirtschaft voranbringt.
■ Die Finanzierung des Zukunftsprogramms soll ermöglicht werden aus bereits bestehenden Förderprogrammen und einer höheren Besteuerung von Vermögen und Spitzeneinkommen in den EU-Staaten.
Freihandelsabkommen (TTIP) stoppen!
DIE LINKE lehnt das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) ab. Das TTIP wird, sollte es in Kraft treten, den großen Banken und Konzernen und nicht der europäischen Binnenwirtschaft nützen. Konzernen soll ein Klagerecht gegen Staaten bzw. soziale und ökologische Standards eingeräumt werden (Investitionsschiedsgerichtsbarkeit). Es droht, dass der Finanzsektor weiter dereguliert wird, öffentliche Dienstleistungen privatisiert sowie Monopolisten im Bereich des geistigen Eigentums gestärkt werden. Das TTIP wird, wenn wir es nicht gemeinsam mit anderen verhindern, den europäischen Markt mit Biokraftstoffen, Gentechnik-Lebensmitteln sowie Klon- und Hormonfleisch überschwemmen. Selbst die unzureichende EU-Chemikalienverordnung REACH sowie die ohnehin laxe Euro-Norm für Abgas-Emissionen stehen in Frage. Schutz und Vielfalt von Kulturgütern gemäß der UNESCO-Konvention würden gefährdet. DIE LINKE organisiert und unterstützt deshalb Initiativen – innerhalb und außerhalb der Parlamente –, die darauf gerichtet sind, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA zu stoppen.
Wir fordern, dass die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit aus allen Handelsabkommen gestrichen wird.Der besondere Charakter von Gütern und Leistungen im Kulturbereich muss auch weiterhin bei internationalen Freihandels- und Investitionsabkommen berücksichtigt werden. Kultur darf nicht zur reinen Handelsware werden, die allein den Marktgesetzen unterliegt. Deshalb müssen die Bereiche Kultur und audiovisuelle Medien aus den Handelsabkommen ausgeschlossen bleiben.
Für eine solidarische Regional- und Strukturpolitik
Die Europäische Union muss die Regionen mit gravierendem Entwicklungsrückstand stärken und zugleich die Stabilität in allen anderen Regionen stützen – dies ist unser Grundansatz für die Regional- und Strukturpolitik der EU. Unser Ziel ist und bleibt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Europäischen Union. In der Vergangenheit ist es gelungen, durch Programme der EU-Regional- und Strukturförderung die Entstehung wirtschaftlicher und sozialer Differenzen zwischen den Regionen und Mitgliedstaaten zu dämpfen oder sogar historisch gewachsene Unterschiede zu verringern.
DIE LINKE hat sich gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft und regionalen Strukturen gegen die bevorstehende Neuausrichtung der Kohäsionsprogramme in der Förderperiode ab 2014 gewehrt. Diese Neuausrichtung transformiert die Instrumente der Regional- und Strukturpolitik von einem sozialen und ökonomischen Ausgleichsmechanismus hin zu einem »Belohnungsmechanismus« – mit dem Ziel, Märkte zu öffnen und Staatsausgaben zu kürzen.
Die Vergabe dieser Fördermittel soll nun mit neoliberalen Politikinstrumenten vermischt werden. Die Kohäsionspolitik wird der der EU-Strategie »Europa 2020« untergeordnet. Die Strukturfonds werden auch als Erpressungs- und Bedrohungsinstrument missbraucht, um Märkte zu öffnen oder Sozialausgaben zu kürzen. Hinzu kommt, dass ausgerechnet in der Zeit von Krisen und zusammenbrechenden Sozialstaaten die Mittel der Kohäsionspolitik um 8 Prozent gekürzt, Fördermittel zugunsten der reicheren Mitgliedstaaten umverteilt werden und der Fokus künftig weniger auf den ärmeren Ländern liegen soll. Durch die notwendige Kofinanzierung der Regionen werden besonders finanzschwache Gebiete benachteiligt, weil sie den Eigenanteil nicht aufbringen können. Hier ist eine grundlegende Verbesserung der Förderung notwendig.
DIE LINKE hat sich in den vergangenen Jahren in Übereinstimmung mit zivilgesellschaftlichen, staatlichen und kommunalen Akteuren gegen diese Neuausrichtung gewehrt. Dabei wurde manches erreicht, die Grundrichtung konnte aber nicht verändert werden. Der Kampf für eine solidarische Regional- und Strukturpolitik der EU muss weitergehen. Grundprämissen sind für uns weiterhin:
■ Für DIE LINKE liegt dem sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft die regionale Sichtweise zugrunde. Die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen, wie wir Energie erzeugen, wie wir Handel betreiben, wie wir produzieren wollen und in wessen Besitz sich Netze, Produktionsanlagen oder auch die Stadtwerke befinden, schafft die notwendige Akzeptanz – auch auf lokaler Ebene –, um die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, als LINKE zu beantworten: DIE LINKE steht für eine dezentrale, in den Regionen verankerte Energiewende, die sozial und demokratisch ausgestaltet ist.
■ Die Vergabe von EU-Fördermitteln darf nicht länger an die europäischen Verschuldungskriterien gebunden werden. Dass die Mitgliedstaaten und Regionen erst strukturelle oder institutionelle Reformen umsetzen müssen, ehe sie Fördermittel aus Brüssel bekommen, bringt nicht nur große Unsicherheit für die Träger von geförderten Maßnahmen; sie nimmt die Regionen und Kommunen für die Politik des eigenen Staates in Haftung, die sie nicht beeinflussen können.
■ Wie die Regional- und Strukturpolitik thematisch ausgerichtet ist, soll auch künftig vor allem auf der regionalen Ebene bestimmt werden. Hier können am besten vorhandene Entwicklungspotenziale erschlossen und lokale und regionale Akteure aktiviert werden. Die demokratische Mitwirkung kann gestärkt werden, indem Vertreter der Zivilgesellschaft sowie regionale und lokale Akteure noch stärker in alle Phasen der Planung und Umsetzung der Programme einbezogen werden. Auch in Zukunft sollen die Fördergelder auf regionaler Ebene verteilt werden. Eine Renationalisierung der Regionalpolitik lehnen wir strikt ab.
■ Regionale Wirtschafts- und Energiekreisläufe, demokratisierte Regionalplanung (z.B. durch regionale Struktur- und Wirtschaftsräte), allgemeiner Zugang zu guten Daseinsvorsorgeleistungen – von der Gesundheits- bis zur Breitbandversorgung, von der Bildung bis zur solidarischen sozialen Sicherung –, die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und bürgerrechtlicher Emanzipation: das sind die Prämissen der Partei DIE LINKE für den Einsatz regionaler Strukturförderprogramme in der EU!
Ein großer Vorzug der bisherigen Kohäsionspolitik ist, dass integrierte Lösungen für regionale und kommunale Probleme innerhalb eines kurzen Zeitraums gefunden werden können: für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung, für den Umbau von Wirtschaftsstrukturen, gegen die Entvölkerung ganzer Regionen, für die Probleme städtischer Ballungsräume oder die Unterstützung des notwendigen Zusammenwachsens von Regionen an der ehemaligen EU-Außengrenze. All das sind langfristige Aufgaben, die kontinuierlich und solide ausfinanziert werden müssen. Dieses Prinzip der Nachhaltigkeit wollen wir stärken und für eine Angleichung der Lebensbedingungen in Europa eintreten!
■ Die EU muss mehr tun, um den Zugang zu europäischen Fördermitteln für Akteure vor Ort zu erleichtern, damit die Fördermittel in allen Ländern abgerufen und für die Entwicklung der Länder und Regionen eingesetzt werden können. Wir wollen Twinning-Projekte einsetzen, mit denen erfahrenes Verwaltungspersonal zur Unterstützung und Qualifizierung in weniger erfahrene Länder entsandt wird. Sie ermöglichen zudem bilaterale Kooperationen und helfen, die Kommunikation in Richtung Brüssel aufzubauen.
Und schließlich bleibt unsere Forderung: Gerade in Zeiten der Krise müssen die Mittel der Regional- und Strukturpolitik aufgestockt werden und vordringlich den Ländern zugutekommen, die es am dringendsten benötigen. Besonders die neu hinzugekommenen Länder benötigen Hilfe beim Aufbau der Infrastruktur. Weiter müssen die besonders von der Finanzkrise betroffenen Länder im Süden vorrangig gefördert werden. Für die Finanzierung einer quantitativ und qualitativ erweiterten solidarischen Kohäsionspolitik hat DIE LINKE Konzepte vorgelegt.
Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken
Die Selbstregulierung der Wirtschaft allein reicht nicht aus. Wir wollen die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Europäischen Union stärken, indem klare gesetzliche Vorgaben und Regulierungen gegenüber den Unternehmen und eine öffentliche Kontrolle der Märkte durchgesetzt werden: für sichere Lebensmittel (einschließlich Trinkwasser), Gesundheit und Pflege, Arzneimittel, sichere und barrierefreie Telekommunikation und Internet, Haftung und Gewährleistung, Finanzdienstleistungen und Versicherungen, bezahlbare Wohnungen, die Versorgung mit Wasser und Energie, Urheber- und Datenschutz, barrierefreien und kostengünstigen fahrgastfreundlichen öffentlichen Nah- und Fernverkehr.
■ Nährwerte sollen auf Lebensmitteln klar gekennzeichnet werden (Ampel).
■ Wir wollen einen »Reisepass« für Lebensmittel – einen Nachweis der Produktions- und Transportwege. Die Herkunft von allen Zutaten muss ausgewiesen werden.
■ Eine regionale Vermarktung von Lebensmitteln, die die Herkunft der Lebensmittel transparent macht und unnötige Transportwege spart, soll aus besonderen EU-Förderprogrammen unterstützt werden.
■ Gentechnisch veränderte Produkte sollen lückenlos gekennzeichnet und schließlich verboten werden. Dies gilt auch für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch manipulierten Futtermitteln gemästet wurden.
■ Die Rolle der europäischen Arzneimittelbehörde wollen wir stärken. Es sind Studienregister für alle Arzneimittelstudien verbindlich einzuführen, und der uneingeschränkte Zugang zu klinischen Studiendaten ist sicherzustellen.
■ Die EU muss mehr für eine umfassende Verbraucherinformation tun. Verbraucherinnen und Verbrauchern müssen kostenfrei Auskünfte gewährt werden, die sich nicht auf den Lebensmittelbereich beschränken, sondern alle Dienstleistungen umfassen.
1.3.2 Ändern, was wir wie produzieren: Konversion und sozial-ökologischer Umbau
Die Wirtschaft in der Europäischen Union setzt nach wie vor im Wesentlichen auf Wachstum. Eine Anpassung an begrenzte Ressourcen bei Rohstoffen und fossilen Energieträgern ist nicht vorgesehen. Die Orientierung auf globale Wettbewerbsfähigkeit führt zu einem Dumping bei Sozial- und Umweltstandards in weltweitem Maßstab und steht damit sogar im Widerspruch zu den Bemühungen der EU-Umweltpolitik. Die Kluft zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden wächst. Soziale Gerechtigkeit, ökologisches Wirtschaften und ein gutes Leben sind miteinander verbunden: Ein ökologischer Umbau der Produktion und alternative Konsumtion werden sich nur dann in der Gesellschaft durchsetzen, wenn sie gleichzeitig zu mehr sozialer Gleichheit führen.
Dafür muss die Wirtschaft demokratisch gestaltet werden: Im Betrieb durch mehr direkte Mitbestimmung von unten, in der Gesellschaft insgesamt durch eine Politik der stärkeren sozialen, finanziellen und ökologischen Regulierung. Nur unter den richtigen Rahmenbedingungen können sich gute Arbeit, soziale und ökologische Ideen in den Betrieben durchsetzen. Wir wollen Weichen für die Zukunft stellen: Was wir wie produzieren, muss demokratisch ausgehandelt werden und tragfähig für Natur und Menschen sein. Wir müssen die Energieversorgung umbauen und umweltverträgliche, für alle zugängliche und nutzbare Formen von Mobilität entwickeln. Wir wollen Alternativen zur Rüstungsproduktion und zu Produktionszweigen, die die natürlichen Lebensgrundlagen schädigen, schaffen. Dabei sollen auch die Arbeitsplätze umgewandelt und gesichert werden. Bestandteile einer solchen sozial gerechten, ökologischen Umgestaltung sind:
Eine sozial gestaltete Energiewende
Der beste Weg, Umweltschäden durch die Energieerzeugung zu vermeiden, ist, Energie zu sparen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, energieeffiziente Technologien zu fördern. Die Energieeffizienzrichtlinie und ihre ordnungspolitischen Vorgaben für die Wirtschaft zum Einsparen von Energie müssen verschärft werden.
Wir wollen eine europaweite Energiewende, die auf nachhaltige Energiequellen setzt und Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sieht – und deshalb öffentlich organisiert ist. Die Sonne gehört niemandem, die Sonnenenergie aber allen. Die herrschende EU-Wettbewerbspolitik will alle öffentlichen Dienstleistungen, auch die Versorgung mit Energie, den europäischen Binnenmarktregeln unterwerfen. Europas Konzerne sollen mit Dienstleistungen im öffentlichen Sektor (z.B. Energie, Wasser, Gesundheit, öffentlicher Verkehr) Profite machen können.
■ DIE LINKE kämpft für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Die europäische Vertragsgemeinschaft Euratom muss gekündigt und aufgelöst werden.
■ Erneuerbare Energien (Einführung von Speichertechnologien) sollen im Rahmen europäischer Zielsetzungen weiterhin nach nationalen Vorgaben, wie etwa dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, gefördert, die Nutzung fossiler Energiequellen entsprechend zurückgefahren werden. Der Anteil an erneuerbaren Energien am EU-Energieverbrauch soll im Jahr 2020 25 Prozent betragen. Die Produktion von erneuerbaren Energien, insbesondere Agroenergien, muss Nachhaltigkeitskriterien genügen. Für Letztere dürfen die Zielsetzungen nur so hoch sein, wie innereuropäische Flächen dafür zur Verfügung stehen, ohne Nahrungsmittelversorgung und Biodiversität zu gefährden. Importe von Agrokraft- und -treibstoffen aus dem globalen Süden lehnen wir ab.
■ Wir sind gegen die unterirdische und unterseeische Speicherung von als Abgas anfallendem Kohlendioxid (CCS). Bisherige Forschungs- und Fördermittel für CCS (bis 2012/2013 1,3 Milliarden Euro) sollten für das Gelingen der Energiewende eingesetzt werden. Ebenso lehnen wir die durch Verpressung von Chemikalien unterstützte Förderung von Erdöl und Erdgas (Fracking) ab.
Die vorübergehenden Mehrkosten der Energiewende dürfen nicht auf den Schultern von privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern abgeladen werden. Energie darf für einkommensschwache Haushalte nicht zum Luxusgut werden. Die Versorgung mit Energie muss für jede und jeden gesichert sein. Staatliche Strompreisaufsichten müssen in allen Mitgliedstaaten der EU die Entwicklung der Strompreise kontrollieren. Privilegien für Industriebetriebe bei der Übernahme der Energiewendekosten müssen deutlich reduziert werden. Daher wollen wir die Privatisierung der Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge stoppen und rückgängig machen. Wir kämpfen für eine Überführung der Netze in die öffentliche Hand. Wir wollen eine verbrauchernahe, dezentrale Energieerzeugung fördern und die Macht der großen Stromversorger und privaten Netzbetreiber beschneiden. Dazu müssen europäische, Bundes- und Landesebene zusammenwirken. Regionale Energiepolitik, wie sie DIE LINKE in Thüringen mit der »Energierevolution« entwickelt hat, überwindet die angeblichen Gegensätze des Sozialen und des Ökologischen, von Effizienz und Demokratie, von modernster Technik und Bürgerbeteiligung.
Eine wirksame Klimaschutzpolitik
DIE LINKE setzt sich für drei verbindliche, aufeinander abgestimmte Ziele der Energie- und Klimaschutz-politik ein:
■ Minderung des Ausstoßes an Klimagasen in der EU gegenüber 1990 um 40 Prozent bis 2020, um 60 Prozent bis 2030 und um 95 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts;
■ Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch auf ein Viertel bis 2020, auf 45 Prozent bis 2030 und auf 100 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts;
■ Reduzierung des Primärenergieverbrauches gegenüber dem Jahr 2000 um ein Fünftel bis 2020, um 40 Prozent bis 2030 und um 60 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts.
Der Emissionshandel hat als zentrales Klimaschutzinstrument der EU versagt. An seine Stelle müssen ordnungsrechtliche Eingriffe in die Energiewirtschaft treten, wie etwa nationale Kohleausstiegsgesetze, die einen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgeben. In der bereits laufenden Emissionshandelsperiode (2013 bis 2020) sollen zudem zwei Milliarden Tonnen Emissionsrechte endgültig stillgelegt und die hohen Mitnahmeprofite durch die freie Zuteilung von Emissionszertifikaten für energieintensive Industrien beendet werden. Unternehmen müssen verpflichtet werden, Emissionen von Klimagasen dort zu reduzieren, wo sie entstehen. Die Anrechnung von Emissionsrechten aus anderen Teilen der Welt ist auszuschließen. Der Minderungspfad im Emissionshandel ist an die neuen Klimaschutzziele anzupassen.
Eine Verkehrspolitik, die Mobilität fördert und Verkehr vermeidet
Teil der Lissabon-Strategie ist der Ausbau einer bestimmten Infrastruktur: Schnellbahnnetze, billige Flugverbindungen. Wir brauchen dringend andere verkehrspolitische Maßstäbe. Nachhaltigkeit, verbesserte soziale Standards, eine Transportlogistik, die sich am Bedarf orientiert, und kurze Wege.
Dezentrale Produktion vermindert Transportwege. Ein zuverlässiger öffentlicher Personenverkehr verringert den Individualverkehr. Schienenverkehr muss Vorrang vor Straßenverkehr haben.
Lebenswerte Städte benötigen gute Rad- und Fußverkehrsverbindungen, einen attraktiven ÖPNV und eine inklusive Verkehrsplanung.
Die Eisenbahn muss zur Flächenbahn mit schnellen Verbindungen entwickelt werden; reine Highspeed-Bahnen nützen den meisten Fahrgästen nichts. Die mit dem 4. Eisenbahn-Paket verfolgte Zielsetzung einer organisatorischen Trennung von Eisenbahninfrastruktur und -betrieb lehnen wir ab. Öffentliche Bahnen sowie der ÖPNV dürfen nicht desaströsem Wettbewerb und Kommerzialisierung geopfert werden. Wir wollen die Weiterentwicklung der Bahn und des ÖPNV, barrierefrei, mit guter Arbeit, der Schaffung vieler Arbeitsplätze und dem Ziel der Verlagerung eines beträchtlichen Teils des innereuropäischen Flugverkehrs auf die Schiene. Das europäische Nachtzug-Netz muss dafür ausgebaut werden.
■ Wir unterstützen die europäischen Bahngewerkschaften und die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF) in ihrem Einsatz gegen eine weitere Liberalisierung im Eisenbahnbereich und eine drohende Zerschlagung bisheriger, überwiegend noch in öffentlicher Hand befindlicher Eisenbahngesellschaften. Auf dem Wege, den EU-Kommissionen seit gut 20 Jahren mit immer neuen Richtlinien vorgeben, drohen über kurz oder lang in ganz Europa britische Zustände.
■ Gewinner sind private Konzerne, die sich durch den Zugriff auf Filetstücke im Eisenbahnsektor ihre Profite sichern. Verlierer sind Beschäftigte, die Umwelt und die Masse der Bevölkerung. Denn Eisenbahn-Liberalisierung bedeutet vor allem Arbeitsplatzabbau, Leistungsverdichtung und Prekarisierung, Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen, Vernachlässigung von Sicherheit und Umweltbelangen sowie eine Konzentration auf profitable Verbindungen. Ein Recht auf erschwingliche flächendeckende Mobilität für alle als Teil der Daseinsvorsorge rückt damit in weite Ferne.
Wir setzen uns dafür ein, dass kurzlebige Verbrauchsgüter und Lebensmittel vornehmlich regional produziert sowie verteilt und langlebige, überregional genutzte Güter hauptsächlich über Schienen und Wasserstraßen transportiert werden.
■ Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie der Arbeitsbedingungen müssen die Lenkzeiten der LKW-Fahrer verkürzt und die Ruhezeiten verlängert werden.
■ DIE LINKE fordert eine Verschärfung der CO2-Grenzwerte für Personen- und Nutzfahrzeuge sowie ein Importverbot für Agrosprit.
■ Im Flug- und Schiffsverkehr setzen wir uns für eine europaweite Abgabe auf fossile Kraftstoffe ein.
Wir wollen, dass in und zwischen europäischen Kommunen Modelle entwickelt werden, in denen kosten- und barrierefreier öffentlicher Nahverkehr mit autofreien Zonen verbunden wird.
Ein effektiver Ressourcenschutz
Die europäische Politik setzt auf Sicherung der Rohstoffversorgung durch Import mittels Freihandelsabkommen, verbunden mit politischem Druck und Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik. DIE LINKE ist gegen diese Freihandelsabkommen. Sie setzt sich ein für das Recht der Entwicklungsländer, ihre Exporte selbst zu regulieren und Gesetze für Investitionen zu erlassen. Wir wollen verbindliche ökologische und soziale Standards für den Abbau von Rohstoffen. Unternehmen müssen für die Folgen ihrer Geschäftstätigkeit international zur Verantwortung gezogen werden können. Der Import von Konfliktressourcen muss unterbunden werden. Nur eine perspektivisch vollständige Kreislaufwirtschaft der nicht nachwachsenden Rohstoffe sichert über alle Generationen hinweg die Versorgung mit technischen Gütern. Wir dürfen nicht länger defekte und ausgediente Gebrauchsgüter einfach wegwerfen und verbrennen. Unverzichtbar sind auf nationaler und europäischer Ebene Maßnahmen zur Sicherung der Rohstoffeffizienz durch Senkung des Ressourcenverbrauchs, Erhöhung der Recyclingraten, Reduzierung des Aufkommens an Abfall, insbesondere Verpackungsmüll. Wir wollen Geräte, die von hoher Qualität sind, eine lange Lebensdauer besitzen und weitgehend wiederverwertet werden können.
Eine verantwortungsvolle Land- und Forstwirtschaftspolitik
Die Landwirtschaft ist wie kaum ein anderer Bereich durch die politischen Rahmenbedingungen der europäischen Agrarpolitik beeinflusst. Die landwirtschaftliche Erzeugung wird immer stärker liberalisiert und »zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit« globalen Agrarmärkten ausgeliefert. Industrielle Formen der Agrarerzeugung nehmen zu und erzeugen einen enormen Druck auf die herkömmlichen Strukturen der Landwirtschaft. Der sogenannte Strukturwandel vermindert die Zahl der Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen. Die biologische Vielfalt und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Beitrag der Landwirtschaft zum Erhalt der Lebensfähigkeit ländlich geprägter Regionen wird so bedroht.
DIE LINKE will die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), von der maßgeblich die Ernährungsgrundlage für die 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU bestimmt wird, unter Berücksichtigung der weltweiten Probleme – Armut, Hunger, Ressourcenknappheit und Klimawandel – zu einer aktiven zukunftsorientierten Politik weiterentwickeln. Sie muss zur Lösung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme und verbesserter Teilhabe der Menschen innerhalb und außerhalb der EU beitragen.
■ DIE LINKE will die Gemeinsame Agrarpolitik und die Strukturfonds so zu Politikinstrumenten umbauen, dass soziale und ökologische Standards in der ganzen EU umgesetzt werden.
■ Wir setzen uns für eine Agrarpolitik ein, die auf eine deutliche Erhöhung des Anteils regional erzeugter und verbrauchter Produkte gerichtet ist.
■ Gentechnik in der Landwirtschaft und Patente auf Pflanzen, Tiere und anderes Leben lehnen wir ab. Wir fordern, dass das uneingeschränkte Recht auf freien Nachbau des Saatgutes wiederhergestellt wird. Die Macht transnationaler Konzerne wie Monsanto muss gebrochen werden. Wir setzen uns für eine tier-, standort- und umweltgerechte bodengebundene Nutztierhaltung in allen Landbewirtschaftungssystemen ein.
■ Wir wollen faire internationale Handelsbeziehungen für nachhaltig produzierte Agrarprodukte und Rohstoffe.
■ Der Verkauf bzw. die Überlassung großer Landflächen an wenige Konzerne zerstört die Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung und führt zu Hunger, Vertreibung und Flucht. DIE LINKE fordert, dass Landgrabbing weltweit verboten und geächtet wird!
■ Futtermittelimporte in die EU sollen reduziert werden. Regionale Kreisläufe in der Landwirtschaft wollen wir fördern.
■ Wir setzen uns für eine gemeinsame Waldpolitik zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Waldressourcen als Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und für eine stärkere Bekämpfung des illegalen Holzhandels ein. Waldarme europäische Länder sollen verstärkt aufgeforstet werden.
Mindestlöhne in allen Mitgliedstaaten, Sozialversicherungspflicht für Angestellte, mitarbeitende Familienangehörige und Saisonarbeitskräfte, Ausbildung und Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen sowie die Anrechnung der Arbeitskosten bei Großbetrieben sollen überprüfbare Voraussetzungen für die Zahlung von Prämien aus dem Agrar-Etat der EU werden.
Eine schonende Fischereipolitik und ein nachhaltiger Schutz der Meere
Die Probleme der Fischerei sind ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP)muss so ausgerichtet werden, dass nicht mehr Fisch gefangen wird, als nachwachsen kann.
■ Millionen-Subventionen für die industrielle Fischerei vor den Küsten Afrikas und Abkaufgeschäfte von Fischereirechten entziehen vielen Menschen die Nahrungsgrundlage. DIE LINKE will die Fischereipolitik der EU neu ausrichten: Entwicklungsprojekte, die die einheimische Fischerei in Afrika für den lokalen Bedarf fördern, müssen unterstützt werden.
■ Wir streiten für die Einrichtung großflächiger Meeresschutzgebiete, in denen Ressourcenentnahme ausgeschlossen ist.
■ Die Belastung der Meere durch Müllentsorgung, Stoffe aus der Landwirtschaft und der Industrie muss drastisch gemindert werden.
■ Um die Überfischung zu stoppen, setzt sich DIE LINKE für das Verbot der Grundschleppnetzfischerei, die Minderung des Beifangs und ein Rückwurf-Verbot ein. Die EU muss durch verbindliche Standards und harte Sanktionen den Schutz der Meeresbiotope durchsetzen. Klein- und Kleinstbetriebe sollen dabei unterstützt werden.
■ Fischereisubventionen müssen an ressourcen- und umweltschonende Fangmethoden bei gleichzeitiger Absicherung der sozialen Belange der Fischereibeschäftigten gekoppelt werden. Die EU-Fischfangflotte muss verkleinert werden. Die notwendigen Fangreduzierungen dürfen nicht auf Kosten der in der Fischerei Beschäftigten gehen.
■ Die Immissionsschutzbestimmungen für Wasserfahrzeuge müssen verschärft werden. Bei der technischen Umstellung ist eine Unterstützung der traditionellen Familienbetriebe der Fischerei erforderlich.
Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
Wir wollen die biologische Vielfalt schützen und die Vielfalt an Kulturpflanzen und Nutztierrassen erhalten. Das Schutzgebietsnetz »Natura 2000« muss auf dem Land und im Meer ausgeweitet werden.
■ Wir setzen uns für den Erlass einer umfassenden EU-Verordnung ein, um so den Schutz der Bodenfunktionen zu gewährleisten.
■ Wir streiten für eine konsequente Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Nicht das Einbetonieren von Gewässern, sondern Auenschutz und Renaturierung schaffen lebendige Flüsse, einen umfassenden Hochwasserschutz und gesundes Grundwasser. Schad- und Nährstoffeinträge müssen minimiert werden. Salzeinleitungen aus Industrieunternehmen und Abraumhalden sind zu untersagen.
Ein wirksamer Tierschutz
Die Initiativen zum Tierschutz in der EU reichen nicht aus: Noch immer gibt es Tierversuche (10,7 Millionen auf EU-Ebene, 2,1 Millionen in Deutschland) und nicht tiergerechte Haltung. Importe von Produkten aus tierquälerischer Haltung oder von aus der Natur entnommenen Wildtieren dauern an. Ausschlaggebend dafür sind wirtschaftliche Interessen: Hühner in Käfigbatterien sind billiger als Hühner in Freilandhaltung, wilde Graupapageien sind billiger als gezüchtete Tiere, und Meeressäuger in Delfinarien versprechen kräftige Gewinne für die Betreiber. Die tatsächlichen Schäden an Natur und Umwelt sind in keiner Rechnung aufgelistet.
■ DIE LINKE setzt sich für verbindliche Tierschutzvorschriften auf EU-Ebene ein.
■ Wir fordern ein grundsätzliches Verbot von Tierversuchen. Stattdessen müssen Alternativen erforscht und gefördert werden. Wir fordern tiergerechte und ethisch vertretbare Haltungs- und Transportbedingungen für Nutztiere und die Stärkung regionaler Vermarktungskreisläufe. Die industrielle Tierhaltung muss durch umwelt- und ressourcenschonende Haltungsformen ersetzt werden.
■ DIE LINKE setzt sich für ein EU-weites Tierschutzsiegel sowie eine einheitliche Kennzeichnung von veganen und vegetarischen Lebensmitteln im Einzelhandel ein. Tierschutzverbände sollen in der EU ein Verbandsklagerecht erhalten.
2. Demokratisches Europa
2.1. Soziale und politische Rechte verteidigen
»Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.« Jean-Claude Juncker, ehemaliger Vorsitzender der Euro-Gruppe
Würde die Europäische Union um die Aufnahme in die Europäische Union ersuchen, würde sie abgelehnt, weil sie nicht die nötigen Demokratiestandards vorweist. Diese ohnehin niedrigen Standards werden in der Wirtschaftskrise immer weiter ausgehöhlt. Die Troika setzt die Kürzungspolitik auch gegen Widerstände von gewählten Vertreterinnen und Vertretern durch, ohne ein demokratisches Mandat zu haben. Die einzige direkt gewählte Institution der Europäischen Union, das Europäische Parlament, hat keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen.
Das Europäische Parlament hat weniger Befugnisse als jedes nationale Parlament: Es hat bisher nicht einmal das Recht auf Rechtsetzungsinitiativen. Auch unterliegt die EU-Kommission nicht der parlamentarischen Kontrolle durch das Europäische Parlament, wie dies bei den Regierungen der Mitgliedstaaten durch die jeweiligen Parlamente der Fall ist. Die Kürzungsprogramme höhlen demokratische Institutionen wie zum Beispiel Parlamente und Regierungen oder auch Wahlen und das nationale Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten aus.
Die Bundesregierung plant, die bestehenden demokratischen Kontrollmöglichkeiten einzuschränken. Sie will der Europäischen Kommission haushaltspolitische Interventionsrechte gegenüber allen Euro-Staaten gewähren; der EU-Währungskommissar soll mit mehr Kompetenzen zur Umsetzung des Fiskalpaktes ausgestattet werden. Zusammen mit anderen Mitgliedstaaten will sie – weitgehend unkontrolliert von nationalen Parlamenten und Europaparlament – die eigene Macht und die der von ihr vertretenen wirtschaftlichen Lobbygruppen ausbauen.
Wir wollen die Europäische Union demokratisieren. Wir wollen eine Europäische Union mit einem starken Europäischen Parlament und mit mehr unmittelbarer Mitwirkung und Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger.
DIE LINKE kämpft für ein Europäisches Parlament,
■ das endlich gleichberechtigt mit dem Europäischen Rat entscheidet;
■ ein eigenständiges, vertraglich gesichertes Initiativrecht für Gesetzgebungsvorhaben erhält;
■ generell erweiterte Rechte bekommt. Sobald ein Politikbereich in die Kompetenz der Europäischen Union überführt wird, muss das Parlament ein Mitentscheidungsrecht erhalten. Für die bereits vergemeinschafteten Bereiche ist dies nachzuholen;
■ die Europäische Kommission und deren Präsidenten vorschlägt und wählt.
Das Spiel der Regierungen der Mitgliedstaaten, im eigenen Land ungeliebte, politisch undurchsetzbare oder aus rechtlichen Gründen unrealistische politische Entscheidungen über die europäische Bande, durch den Ministerrat und die Kommission Wirklichkeit werden zu lassen, führt zu Intransparenz und gefühlter Ohnmacht gegenüber der EU-Politik.
Um die EU zu demokratisieren, wird DIE LINKE mit ihren politischen Initiativen im Europäischen Parlament vor allem drei Ziele verfolgen:
Endlich die Macht von Kommission und Räten brechen
Das Gewicht und die Einflussmöglichkeiten des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente müssen drastisch erweitert werden, die Schlichtungsverfahren, die die Umgehung des Parlaments erlauben, müssen beendet werden. Die Vergemeinschaftung von Politikbereichen muss gegen die Macht von Kommission und Räten weiterentwickelt werden; die durch die Mitgliedstaaten geförderte Eigenständigkeit der EU-Agenturen wie Frontex und Europol muss zurückgefahren, und diese müssen parlamentarisch kontrolliert und ggf. aufgelöst werden.
Die Verteilung der Kompetenzen zwischen den Institutionen der EU ist so zu regeln, dass die dezentralen Möglichkeiten politischer Selbstverwaltung und die gemeinsame Handlungsfähigkeit der Union zugleich gestärkt werden.
Endlich europäisierte Politik lernen
Politische Initiativen auf nationaler Ebene inner- und außerhalb der Parlamente müssen gerade im innenpolitischen Bereich »europäisiert« entwickelt und organisiert werden. Polizeikooperationen, Strafverfolgung, Datenschutz, Geheimdienste haben längst eine europäische Dimension mit Rückwirkungen auf die nationalen Debatten und die nationalen Praktiken. DIE LINKE kämpft für einen europaweiten Bürgerrechts- und Datenschutzraum.
Die bisherige Innen- und Rechtspolitik der EU hat nicht zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geführt. Eher im Gegenteil: Sie befördert die Abschottung Europas gegen Armut von außen und den Abbau der Bürgerrechte im Innern und in den Beziehungen zu Drittstaaten.
Endlich europaweite Mitentscheidungsverfahren einführen
Demokratie bedeutet mehr, als alle vier oder fünf Jahre Wahlen abzuhalten. Demokratie bedeutet, dass alle Menschen in der Europäischen Union an den Entscheidungen auf EU-Ebene beteiligt werden, die für sie bindend sind. Deshalb müssen endlich Formen der direkten Demokratie auf EU-Ebene etabliert werden, die bürgerfreundlich und wirksam zugleich sind: Wir wollen, dass
■ Bürgerinnen und Bürger in der EU das Recht erhalten, über Volksentscheide konkrete EU-Politik mitzugestalten;
■ die Bürgerinnen und Bürger in der gesamten EU mittels Volksentscheid am gleichen Tag über die Änderung der EU-Verträge entscheiden können;
■ die Bestimmungen zum Wahlrecht und das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt für alle gelten, die ihren Lebensmittelpunkt in einem EU-Mitgliedstaat haben, auch wenn sie als Mensch mit Behinderungen unter voller Betreuung stehen;
■ Abgeordnete anderer nationaler Parlamente der EU bzw. des Europäischen Parlaments auf Einladung einer Fraktion bei zentralen europäischen Themen im Bundestag sprechen dürfen.
Eine Verfassung für Europa
Die EU benötigt eine andere vertragliche Grundlage: eine EU-Verfassung, die von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet wird und über die zeitgleich in jedem EU-Mitgliedstaat in einem Referendum abgestimmt werden muss. Demokratie, Sozialstaatlichkeit, Frieden und Rechtsstaatlichkeit müssen gleichrangige verfassungsrechtliche Werte und Ziele der EU sein. Die EU muss auf konsequente Durchsetzung dieser Ziele, auf Solidarität, Toleranz, Menschenrechte, Säkularisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter verpflichtet werden. Eine EU-Verfassung muss in ihren Aussagen wirtschaftspolitisch neutral und gegenüber einer gemischtwirtschaftlichen Ordnung mit einem bedeutenden öffentlichen Sektor sowie künftigen Gesellschaftsentwicklungen offen sein. Eigentum hat auch sozialen Belangen, dem Umweltschutz und anderen Erfordernissen des Gemeinwohls zu dienen. In die Verfassung gehört das Prinzip der Gewaltenteilung und der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär. Zugleich sollen obligatorische Volksentscheide über EU-Grundlagenverträge und zukünftige Änderungen der EU-Verfassung verankert werden. Außerdem müssen die Bürgerinnen und Bürger das Recht erhalten, EU-weit über Bürger/-inneninitiativen, -begehren und -entscheide auf europäische Entscheidungen wirksam Einfluss zu nehmen.
2.2 Die Lobby von Unternehmen, Banken und Vermögenden zurückdrängen
Auf einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete des Europäischen Parlaments kommen über 20 Lobbyisten, die im Regelfall die Interessen der großen Konzerne und Unternehmensverbände vertreten. Gerade einmal ein Fünftel setzt sich für breite gesellschaftliche Interessen wie Menschen- und Arbeitsrechte, Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz, für die Interessen alleinerziehender Mütter, Minderheiten, von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ein – und sie verfügen über sehr viel geringere Ressourcen als die Wirtschaftslobbyisten.
Die weltweite Deregulierung der Finanzmärkte wurde von mächtigen Lobbyisten vorangetrieben und bedroht zunehmend die Demokratie. Die herrschende politische Klasse hat auf weite Teile ihres Handlungsspielraums verzichtet und ihre Kompetenzen an Lobbygruppen abgegeben. Der wichtigste Dauerberater der Bundesregierung in der Wirtschaftskrise war Goldman Sachs. Ihr Vertreter traf sich seit Beginn der Finanzkrise 48-mal mit Vertretern der Bundesregierung. Vorsitzender dieser US-Investmentbank ist der ehemalige EU-Kommissar Peter Sutherland. Von Goldman Sachs wechselte umgekehrt Mario Draghi zur Europäischen Zentralbank EZB und wurde deren Präsident. Der Wechsel von Bankern in die Politik und umgekehrt ist ein Ausdruck davon, dass die Interessen der Banken zunehmend Einfluss auf die Politik haben. Gerade die Bundesregierung verhindert aber wirksame Schritte gegen den Lobbyismus.
■ Wir fordern die Ratifizierung der internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Lobbyismus.
■ DIE LINKE fordert die Kenntlichmachung der Beteiligung von Interessenverbänden, Unternehmen und sonstigen privaten Akteuren bei der Vorbereitung von Akten der europäischen Rechtsetzung (»legislativer Fußabdruck«) in den dem Europäischen Parlament zugeleiteten Entwürfen für EU-Richtlinien und -Verordnungen.
■ Wir fordern eine strikte Wartezeit für Mitglieder der Europäischen Kommissionen (EU-Kommissare), Bundesministerinnen und Bundesminister sowie parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen wechseln, mit deren wirtschaftlichen Interessen sie zuvor politisch befasst waren. Diese soll sich an der Dauer ihres Amtes und dem sich daraus ergebenden zeitlichen Anspruch auf Übergangsgeld orientieren. Eine entsprechende Regelung muss es für hohe Beamtinnen und Beamte geben. Eine Wartezeit unter Wahrung des Anspruchs auf Karenzentschädigung muss auch für Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft gelten, die in den Institutionen beschäftigt werden sollen.
■ Wir setzen uns weiter für die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure auf europäischer Ebene ein. Dies schließt sowohl verbindliche Anhörungs- und andere Rechte im Europäischen Parlament und anderen EU-Institutionen wie auch eine angemessene finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt ein.
■ Es muss offengelegt werden, wo Lobbyisten in den Expertengruppen sitzen. Ihr Einfluss auf die Europäische Kommission muss zurückgedrängt werden.
■ Die Nebenverdienste von Abgeordneten sind auf Euro und Cent zu veröffentlichen. Unternehmensspenden an Parteien sowie das Parteiensponsoring, wie zum Beispiel Unternehmensstände auf Parteitagen, wollen wir verbieten und Spenden von Privatpersonen auf je 25.000 Euro begrenzen.
■ Wir wollen ein verbindliches, verpflichtendes und transparentes Lobbyregister einführen und treten für ein Beschäftigungsverbot von Lobbyisten aus der Wirtschaft in der Europäischen Kommission und von Abgeordneten bei Unternehmen und Lobbyorganisationen ein.
2.3 Was die EU entscheidet, geht uns alle an. Für starke Kommunen und Regionen in der Europäischen Union
Die EU beeinflusst das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger unmittelbar. Nicht nur Abgeordnete im Bundestag oder in Landesparlamenten, sondern auch Gemeinde- und Kreistagsabgeordnete unterliegen deshalb bei ihren Entscheidungen vielfach jenen Rahmenbedingungen, die über das EU-Recht geschaffen werden.
Europäische Themen wie die Energiewende, wie die Gestaltung von Wirtschaft und Arbeit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge sind immer auch kommunale Themen. Forderungen der LINKEN – wie eine dezentrale und kommunale Energiewende, die Re-Kommunalisierung der Netze, die Schaffung regionaler Wirtschaftskreisläufe, eine stabile öffentliche Daseinsvorsorge, die durch die öffentliche Hand gesteuert wird, oder ein allen zur Verfügung stehender öffentlicher Personenverkehr – können in den Kommunen und Regionen nur erfolgreich gestaltet werden, wenn linke Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitik Hand in Hand entwickelt und umgesetzt wird. Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht egal, welche Mehrheiten es im Europäischen Parlament nach der Europawahl gibt.
Als bundesweit verankerte kommunalpolitische Kraft tritt DIE LINKE zur Europawahl und den zeitgleich stattfindenden Kommunalwahlen mit der Forderung nach Ausrichtung der EU-Politik an den Erfordernissen der Kommunen und Regionen auf. Wir wollen
■ eine Erneuerung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen und Regionen sowie der Bürgerinnen und Bürger erweitert und Versorgungsstabilität sichert, bei der aber auch die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Sicherung der Qualität und der Zugänglichkeit der Leistungen in der Fläche einen hohen Stellenwert haben;
■ für den öffentlichen Dienst und für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen einen Rahmen schaffen, der sich am Grundsatz »Gute Arbeit« orientiert – notwendig sind vor allem grundlegende Veränderungen im Bereich der Arbeitszeitregelungen und die Beseitigung rechtlicher Hürden, die der Bindung öffentlicher Aufträge an die Zahlung existenzsichernder Mindestlöhne und andere Kriterien in den öffentlichen Vergabeverfahren entgegenstehen;
■ die Rückkehr zu einer solidarischen Regional- und Strukturpolitik der EU, die vor allem den ärmeren Regionen hilft, Entwicklungsrückstände abzubauen, und ihre Mitentscheidungsmöglichkeiten stärkt;
■ starke Kommunen und Regionen in der Europäischen Union – das Subsidiaritätsprinzip muss bei der Verteilung der Aufgaben innerhalb der EU durchgesetzt werden: Aufgaben, die von einer nachgeordneten Ebene zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden können, sind diesen zuzuweisen.
2.4 Freiheit und Rechtsstaatlichkeit für Jede und Jeden
Wir wollen, dass Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Sicherheit garantiert sind und die Bekämpfung von Kriminalität nicht zu Lasten der Grund- und Menschenrechte geht. Die EU muss sich zum Prinzip der Gewaltenteilung und der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär bekennen. Das Grundrecht auf Asyl muss garantiert werden.
Menschenrechte sind universell und unteilbar. Deshalb fordern wir auch, dass die EU unverzüglich ihrer vertraglichen Verpflichtung nachkommt und der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt. Wir wollen zusammen mit dem DGB den Beitritt der EU zur revidierten Europäischen Sozialcharta vorantreiben. Alle Menschenrechte – einschließlich der sozialen, kulturellen und ökologischen – müssen uneingeschränkt und weltweit für alle Menschen gelten, also auch für alle Menschen in Europa.
■ Im europäischen Haftbefehl und der europäischen Ermittlungsanordnung muss das Recht auf einen Anwalt und Übersetzer, einschließlich der Kommunikationsformen für Menschen mit Behinderungen, gesichert werden.
■ Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht, ihren Arbeitsort innerhalb der EU frei zu wählen. Freizügigkeit und Reisefreiheit müssen selbstverständlich für alle gelten und praktisch durch bezahlbare und barrierefreie Reisemöglichkeiten gesichert werden. Nicht Armutszuwanderung, sondern Reichtumsflucht (Steuerhinterziehung und -flucht) ist das Problem vieler Mitgliedstaaten. DIE LINKE wendet sich gegen die Stimmungsmache über angeblichen Sozialbetrug, mit der Rassismus und Feindseligkeiten in der Gesellschaft geschürt werden.
■ Wir erkennen die Vielfältigkeit von Familienformen und Lebensweisen an; sie sollen in jedem Land der Europäischen Union mit den gleichen Rechten geschützt werden.
■ Wir fordern grenzüberschreitend die Gewährung einkommens- und vermögensunabhängiger sowie bedarfsgerechter Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Persönliche Assistenz für alle Lebenssituationen und Lebensphasen soll als europäischer Standard festgeschrieben werden.
2.5 Für eine humane und rationale Drogenpolitik: Regulieren statt kriminalisieren
Wir setzen uns für einen Wandel in der Drogenpolitik ein. Die EU-Drogenstrategie muss neu ausgerichtet werden. Das setzt eine kritische Hinterfragung alter Denkmuster und die unideologische Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse voraus. Die EU sollte in ihren Mitgliedstaaten Maßnahmen unterstützen, die auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung setzen, nicht aber auf Verbote und Repression.
Die Europäische Union soll Schritte dazu einleiten, dass Instrumente wie Drug Checking (Inhaltsstoffanalysen illegaler Drogen), Substitutionsprogramme, Konsumräume und Möglichkeiten zur Originalstoffabgabe in allen Mitgliedsländern umgesetzt werden können.
2.6 Geheimdienste auflösen und Datenschutz garantieren
Geheimdienste stärken die Demokratie nicht, sondern gefährden sie: Das beweisen erneut die Abhörskandale. Wir wollen Geheimdienste abschaffen, die Einschränkung der Bürgerrechte im Namen des sogenannten Anti-Terror-Krieges zurücknehmen und damit die Demokratie schützen.
Wir wollen, dass sich die deutsche und europäische Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik an anderen Maßgaben orientiert: Ziel müssen ein selbstbestimmtes Leben, die persönliche und individuelle Entfaltung der Bürgerinnen und Bürger sein. Die Bürgerrechte dürfen nicht weiter ausgehöhlt werden.
■ Wir fordern ein Kooperationsverbot von Geheimdiensten und Polizei auf europäischer und nationaler Ebene; geheime Verträge und Zusatzartikel müssen offengelegt werden.
■ Die deutschen und europäischen Datenschutzbeauftragten müssen als unabhängige Kontrollinstanz gestärkt werden.
■ Whistleblower müssen gesetzlich und vor Auslieferung geschützt werden.
■ Die Sammlung und Speicherung von Daten muss beschränkt werden! Europol sammelt nicht nur kriminaltechnisch notwendige Daten von Verurteilten und Verdächtigen, sondern auch Informationen zu Kontakt- und Begleitpersonen, Lebensweisen und Gewohnheiten, »rassischer« oder ethnischer Herkunft, politischen Meinungen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen oder zur Gewerkschaftszugehörigkeit, die nicht erhoben werden dürfen.
■ Abhörmaßnahmen, seien sie von privaten Unternehmen, staatlichen Vertretungen wie Konsulaten und Botschaften oder militärischen Einrichtungen unternommen worden, müssen beendet und entsprechende Horchposten in Europa geschlossen werden. Wir machen uns für die Abschaffung von Geheimdiensten stark.
■ Die geplante Datenschutz-Grundverordnung der EU muss gegen alle Einflussnahme privater und öffentlicher Lobbyisten den Datenschutz stärken.
Der sogenannte »Krieg gegen den Terror« hat die Türen für eine globale Überwachung geöffnet. Als Sofortprogramm fordert DIE LINKE ein Moratorium und die unabhängige Evaluation aller seit 2001 verabschiedeten Sicherheitsgesetze bzw. laufenden Verhandlungen dazu. Das betrifft besonders die Abkommen der EU
mit den USA:
■ über den Austausch von Bankdaten (SWIFT);
■ über den Austausch von Fluggastdaten (PNR);
■ über die Weitergabe personenbezogener Daten aus der EU an Wirtschaftsunternehmen der USA (Safe-Harbor).
2.7 Freiheit im Internet sicherstellen
Netzpolitik und Digitalisierung sind weitgehend durch EU-Recht reguliert. Das gilt nicht nur für den Datenschutz, sondern auch für den Breitbandausbau, für die Bewahrung der Netzneutralität und für eine Reform oder eine Fortschreibung des Urheberrechts. Regelungen in den Bereichen E-Government und Cloud Computing werden auf europäischer Ebene vorangetrieben, der Kampf gegen Zensurmaßnahmen wie Netzsperren wird auch im Europaparlament geführt.
DIE LINKE kämpft auch in Europa und im Europäischen Parlament für die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität. Momentan droht deren Abschaffung durch die geplante Verordnung zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation. Wir wollen die Freiheit im Internet dauerhaft sicherstellen. Dazu gehört die Neutralität des Netzes. Wir wollen die Netzkapazitäten ausbauen. Die entsprechenden EU-Richtlinien müssen so verändert werden, dass gemeinschaftlicher, genossenschaftlicher oder kommunaler Netzausbau erleichtert wird. Die Privatisierung in diesem Bereich wollen wir zurückdrängen. Der Ansatz der Europäischen Kommission, den flächendeckenden Ausbau von Breitbandinternet dem Markt und den Telekommunikationskonzernen zu überlassen, ist gescheitert. Die Regelungsansätze des europäischen Telekommunikationsrechtes gilt es jetzt zu ändern.
DIE LINKE setzt sich in Deutschland für eine Reform des Urheberrechts ein, die eine Kultur des Teilens ermöglicht und es den professionellen Kreativen gleichzeitig erlaubt, ihre Arbeit ordentlich vergütet zu bekommen. National ist dies in vielen Fällen nur umsetzbar, wenn entsprechende EU-Richtlinien geändert werden oder die derzeit diskutierten Rechtsverschärfungen verhindert werden. Dafür streiten wir auch im EU-Parlament.
Zur Kultur des Teilens gehört ebenfalls das Prinzip des offenen Zugangs zu Informationen. Daher stehen wir für Open Access in der Wissenschaft. Auch hierüber wird auf europäischer Ebene mitentschieden. Die Entwicklung digitaler Überwachungstechnologien für die europäischen Polizeien und die EU-Agenturen wie Europol und Frontex wird über die Förderpolitik der EU massiv vorangetrieben. Das muss beendet werden. Wir wollen vielmehr, dass der freie Zugang zu Wissen gestärkt wird und die heutigen Forschungsmilliarden bei Rüstungs- und Überwachungstechnologien im IT-Bereich zukünftig für sinnvolle und friedliche zivile Vorhaben wie die Unterstützung freier Software oder die Entwicklung von sicheren Verschlüsselungstechnologien für Bürgerinnen und Bürger ausgegeben werden.
2.8 Gleiche Rechte für Sinti und Roma
Sinti und Roma sind die größte ethnische Minderheit in der EU – dennoch werden sie in vielen Ländern der Europäischen Union diskriminiert. Ihre Diskriminierung muss als Rassismus verstanden und die mangelnde Umsetzung der EU-Beschlüsse mit erheblichen Strafen für die entsprechenden Länder geahndet werden. Eine Verbesserung der Wohnverhältnisse, des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie die Förderung der Beschäftigung für Sinti und Roma ist nötig. Deutschland trägt hier eine besondere historische Verantwortung.
■ Wir wollen die Selbstorganisation und die öffentliche Unterstützung der Sinti und Roma fördern.
■ Wir brauchen kostenlose und diskriminierungsfreie Bildungs- und Ausbildungsangebote. Kinder dürfen nicht in Sonderschulen abgeschoben werden. Die vielfältige Kultur, die Traditionen und Sprache müssen durch die Bereitstellung von EU-Mitteln gefördert werden.
■ Wir fordern diskriminierungsfreien Zugang zu Wohnraum und zu Gesundheitsdienstleistungen.
■ Selbstverständlich stehen Sinti und Roma die Freizügigkeit innerhalb der EU zu, diskriminierende Sondervereinbarungen sind unzulässig.
■ Der Völkermord an den Sinti und Roma während des Faschismus muss endlich anerkannt werden. Die Überlebenden haben ein Recht auf Entschädigungszahlungen.
■ Staaten, die antisemitische, antiziganistische und andere Formen der Diskriminierung und Verfolgung von Menschen von Seiten des eigenen Staatsapparates oder durch Duldung praktizieren, müssen politisch sanktioniert werden.
■ Die europäische Roma-Rahmenstrategie muss Sanktionen gegen die Mitgliedstaaten ermöglichen, wenn sie die Roma-Strategie nicht umsetzen.
Doch es geht um mehr: Die Europäische Union muss sich ihrer Verantwortung für den Schutz und die Förderung aller in ihr lebenden ethnischen Minderheiten stellen. Die kulturelle und sprachliche Vielfalt, die die Minderheiten in die Europäische Union einbringen, bedarf einer angemessenen politischen Anerkennung und Förderung durch alle EU-Institutionen.
2.9 Dem Rassismus entgegentreten: gegen Rechtspopulismus und Neofaschismus in Europa
Parteien der extremen Rechten sind in zahlreichen europäischen Ländern zu einem bedrohlichen Faktor der Politik geworden. In Deutschland versucht die »Alternative für Deutschland« Kapital aus der Unzufriedenheit mit der Krisenpolitik der Bundesregierung zu schlagen. Sie bedient und befördert nationalistische und sozialchauvinistische Tendenzen. Gleichzeitig stärkt sie wirtschaftsliberale und demokratiefeindliche Positionen.
Die diskriminierenden Positionen der rechten Parteien wurzeln tief in der Mitte der Gesellschaft, sie finden ihren Nährboden in der desaströsen Politik der Herrschenden – die zu sozialer Ausgrenzung führt, die Konkurrenz verschärft und nationalistische Vorurteile schürt. Seit dem 11. September 2001 werden Menschen muslimischen Glaubens oftmals unter den Generalverdacht terroristischer Umtriebe gestellt. Wir suchen den Dialog mit muslimischen und jüdischen Gemeinden und Vereinen und stellen uns gemeinsam gegen antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus. Wir arbeiten mit demokratischen Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten zusammen. Unser partizipationspolitischer Ansatz zielt auf eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und eine tatsächliche soziale Gleichstellung ab.
Es gibt europäische Richtlinien, Verordnungen und behördliches Handeln, die Diskriminierung legitimieren. Die vor allem auf Abschreckung und Abwehr ausgerichtete europäische Flüchtlingspolitik bestärkt Ideologien der Ungleichheit, wie sie von den rechten Parteien vertreten werden. Während die rechten Parteien Menschen unterschiedlicher Herkunft gegeneinander aufbringen wollen, steht DIE LINKE für internationale Solidarität und den gemeinsamen Kampf gegen die Krisenpolitik der europäischen Regierungen.
Im Bewusstsein der historischen Verantwortung kämpft DIE LINKE gegen Ungleichheitsideologien, gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit, Homo- und Transfeindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit und Neofaschismus.
■ DIE LINKE tritt dafür ein, dass die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in den Mitgliedstaaten der Union tatsächlich umgesetzt werden.
■ DIE LINKE fordert weiterhin die finanzielle Stärkung europaweiter Programme, die sowohl Mittel für Fanprojekte, Initiativen und Projekte gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung im Sport als auch für kulturelle Projekte, die für Vielfalt und Toleranz werben, sichern. Diese sollen Bestandteil einer zu schaffenden europäischen Präventionsarchitektur gegen alle Formen des Rassismus und Neofaschismus sein.
2.10 Für eine feministische Europäische Union
Wir wollen eine Europäische Union, die feministisch, frei von Ausschlussmechanismen, frei von patriarchalen Herrschaftsstrukturen, frei von Ausbeutung und sozialen Ungleichheiten ist. Wir wollen eine europäische Gemeinschaft, in der alle frei, selbstbestimmt und ausgestattet mit sozialen Mindestsicherungsstandards leben können – unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität, Hautfarbe, Alter, sozialer Herkunft, Bildungsstand, Religion und ethnischer Zugehörigkeit. DIE LINKE formuliert vor diesem Hintergrund in ihrer täglichen politischen Arbeit im Europäischen Parlament auch eine feministische Kritik an Nationalismus, Rassismus sowie am Erstarken von nationalistischen und ultrakonservativen Positionen in immer mehr EU-Mitgliedstaaten.
DIE LINKE ist eine feministische Partei, die sich nicht nur an nationalen Problemlagen und europäischen Entscheidungsstrukturen abarbeitet, sondern auf eine Wiederaneignung internationaler feministischer Programmatiken und emanzipatorischer Politiken hinwirkt.
Immer mehr Frauen hängen in sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen fest, ohne realle Chance, wieder in sozialversicherungspflichtige, unbefristete Erwerbsarbeit zu kommen. In der Europäischen Union verdienen Frauen im Durchschnitt fast 17 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Wir fordern deshalb gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer. Ohne eine gerechte Bezahlung von Frauen bleibt ihnen heute ein gutes Leben sowie eine sichere und ausreichende Rente im Alter verwehrt. Unfreiwillige Teilzeitarbeit, zu geringe Vergütung der Erwerbsarbeit und fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten fördern europaweit ein Klima der Überlastung, der Armutsgefährdung und der Angst vor einem Leben in Armut im Alter. Auch Freizügigkeit darf nicht dazu führen, dass Reproduktions- und Carearbeit an Migrantinnen und Migranten delegiert wird, die prekär beschäftigt sind. Gleichzeitig fordern wir, dass ein EU-weiter Anspruch auf öffentliche Kinderbetreuung für alle durchgesetzt wird.
Eine verbindliche europäische Mindestlohnregelung in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittsbruttolohns hilft insbesondere Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und eigene, existenzsichernde Rentenansprüche aufzubauen. Denn besonders Frauen sind von Altersarmut betroffen, da durch Kindererziehungszeiten und/oder Pflege von Angehörigen bei anschließendem erschwertem Wiedereinstieg in reguläre Erwerbsarbeit nicht ausreichend Rentenansprüche für ein gutes Leben im Alter aufgebaut werden können. Wir setzen uns für eine schrittweise Harmonisierung der nationalen Rentensysteme innerhalb der Europäischen Union ein. Wir fordern zudem eine EU-weite Übertragbarkeit von Rentenanwartschaften aus den staatlichen Altersversorgungssystemen und streben eine Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Schaffung einer verbindlichen Mindestrente im Alter und bei Erwerbsminderung an, die sicher vor Armut schützt.
Die Einführung einer verbindlichen Frauenquote in den Führungsetagen von Unternehmen ist ein Schritt, der ebenfalls zu mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen im Arbeitsleben führen wird. Eine andere Arbeitsmarkt- und Familienpolitik ist nötig. Frauen sind auf allen Hierarchieebenen der Arbeitswelt – also nicht nur in den obersten Führungsetagen – unterrepräsentiert und erhalten einen geringeren Verdienst und weniger Sondervergütungen als ihre männlichen Kollegen. Auch dagegen wird DIE LINKE mit Nachdruck und politischen Initiativen im europäischen Parlament, auf der Straße, den Plätzen und in den Betrieben kämpfen.
DIE LINKE wird auch weiterhin für eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten streiten, einen Krankenversicherungsschutz für alle Bürgerinnen und Bürger vorzusehen. Hieran gekoppelt muss verbindlich festgeschrieben werden, dass alle in der EU lebenden Menschen einen Anspruch auf die notwendige ambulante und stationäre medizinische Versorgung bei Krankheit und Schwangerschaft sowie auf die jeweilig notwendigen Vor- und Nachsorgemaßnahmen haben. Kürzungsdiktate wie die der Troika in Griechenland in Bezug auf die medizinische Versorgung von Frauen und Schwangeren sind menschenunwürdig und unzulässig. Wir fordern eine EU-weite Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, was einen sicheren und legalen Zugang zu medizinischer Behandlung und Versorgung einschließt, sowie das Recht auf eine neutrale und kostenfreie Beratung. Wir schlagen darüber hinaus vor, EU-weite Förderprogramme zur gesundheitlichen und sexuellen Aufklärung sowie zur Bekämpfung von Homo- und Transfeindlichkeit aufzulegen. Heterosexuelle Beziehungen sind gesellschaftlich längst nicht mehr die »Norm«, was sich beispielsweise auch im Unterricht für Kinder und Jugendliche widerspiegeln soll. DIE LINKE wird über das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu auffordern, sich zur Öffnung der Ehe für alle Lebensformen zu verpflichten, sowie alleinstehenden und auch nichtheterosexuellen Frauen den Zugang zu reproduktiver Medizin generell zu ermöglichen und das Adoptionsrecht für alle Menschen anzupassen. Und wir wollen, dass Kinder ihrem Alter entsprechend auch über sexuell übertragbare Krankheiten und deren Prävention aufgeklärt werden. Der Rahmen, in dem das geschieht, soll ein wertfreier, offener und toleranter sein.
Auch bei der paritätischen Besetzung von Ämtern und Mandaten in der EU gibt es massiven Reformbedarf. Hierbei kann man auf verschiedene erfolgreiche oder diskutierte Modelle in Europa zurückgreifen. In Belgien beispielsweise gibt es bereits eine gesetzliche Regelung für eine 50-Prozent-Quote für alle Parteilisten. Ähnliche Bestrebungen gibt es in Frankreich, Slowenien und Spanien. Dies ist ein guter Anfang, aber allein auf nationalstaatlicher Ebene nicht ausreichend. Wir fordern daher eine 50-Prozent-Quotierung aller Mandate und Ämter in der gesamten Europäischen Union.
DIE LINKE tritt für ein weltoffenes Europa ein und wird im Europäischen Parlament auch in den kommenden fünf Jahren für die Auflösung der Grenzschutzagentur Frontex und die Abschaffung des unmenschlichen Dublin-Asylsystems kämpfen. Von Flucht und Vertreibung sind weltweit in besonderem Maße Frauen betroffen. Für uns ist daher geschlechtsspezifische Verfolgung ein Grund für die Anerkennung von Asylanträgen – d. h. geschlechtsspezifische Gewalt ebenso wie Vergewaltigung, Zwangsheirat und Zwangsabtreibung anzuerkennen. Für uns zählen als Asylgrund auch Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität. Gleichzeitig fordern wir die Aufnahme und psychosoziale Betreuung traumatisierter, geschundener, vergewaltigter Frauen aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben und trotzdem erwerbstätig sind, müssen einen Rechtsanspruch auf einen legalen Aufenthaltstitel innerhalb der EU bekommen, wodurch die Erwerbstätigkeit ebenfalls legalisiert werden würde. Von Zwangs- und Armutsprostitution betroffene Frauen und Männer könnten sich durch eine solche Regelung aus ihrer Unterdrückungssituation befreien. Eine Kriminalisierung und Stigmatisierung von sich prostituierenden Personen lehnen wir entschieden ab und fordern europaweit den Anspruch auf Sozialleistungen wie Umschulungen, Weiterbildung und Fortbildung, Arbeitslosengeld sowie freien Zugang zu gesundheitlicher und präventiver Versorgung. Gleiches gilt für verdeckte Prostitution und Frauen in haushaltsnaher Dienstleistung.
Die Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in den einzelnen Mitgliedstaaten muss weiterhin kontrolliert werden. Die Festschreibung der international anerkannten Menschenrechte auf europäischer Ebene in der fünften Antidiskriminierungsrichtlinie wird in der kommenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments ein weiterer wichtiger Schritt sein. Um bestehende Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts zu überwinden, fordern wir zudem die Vergabe aller Struktur- und Kohäsionsmittel explizit an gleichstellungspolitische Kriterien zu binden. Die europäischen Strukturfonds sind zweck- und zielgebunden. Die Vergabe ihrer finanziellen Mittel richtet sich nach regionalen gesamtwirtschaftlichen (EFRE), nach sozialen (ESF) beziehungsweise nach agrarischen Disparitäten (ELER). Wir wollen, dass dem ein weiteres, ein gleichstellungsspezifisches Kriterium hinzugefügt wird.
2.11 Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht!
Europäisches Recht hat auch Deutschland gezwungen, die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Intersexuellen (LSBTTI*) voranzutreiben. Andererseits werden LSBTTI* immer noch diskriminiert. Immer noch werden in Europa Menschen stigmatisiert, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen. Immer noch führt ein Kuss zwischen zwei Männern oder zwei Frauen in der Öffentlichkeit im günstigeren Fall zu schiefen Blicken, im schlechteren Fall zu Schlägen. Transsexuelle werden als krank definiert, und es gibt noch immer Mitgliedstaaten, die eine Ehe oder registrierte Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare nicht anerkennen oder gar verbieten. In anderen EU-Ländern werden lesbischen und schwulen Adoptiveltern ihre Rechte streitig gemacht. Für LSBTTI* gelten Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit deshalb nicht uneingeschränkt.
■ DIE LINKE kämpft gegen jede Art von Diskriminierung und Kriminalisierung aufgrund sexueller Identität und für die vollständige Gleichstellung von LSBTTI* in allen gesellschaftlichen Bereichen und das europaweit.
■ Wir treten für die EU-weite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und gleichgeschlechtlicher Ehen ein.
■ Der Kampf für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gehört auf die politische Agenda der EU.
■ Geschlechtsangleichende Operationen bei Intersexuellen vor deren Einwilligungsfähigkeit sollen europaweit verboten werden.
■ DIE LINKE will, dass der vorliegende Entwurf der EU-Gleichstellungsrichtlinie, der von Deutschland blockiert wird, endlich in Kraft tritt.
■ Transsexuelle haben einen Anspruch auf geschlechtsangleichende Maßnahmen.
2.12 Bildung für ein anderes Europa
Gute Bildung ist ein Menschenrecht – für alle Menschen, unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen und ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft. Deshalb müssen alle an Bildung teilhaben können – vom Lebensanfang bis ins hohe Alter. Lebenslanges Lernen muss für alle ohne Bildungsbarrieren möglich sein. Benachteiligungen müssen ausgeglichen werden. Wir wehren uns dagegen, Bildung auf ihre Verwertbarkeit für den ökonomischen Profit zu reduzieren. Die EU hat in den vergangenen Jahren die »Beschäftigungsfähigkeit« der Absolventinnen und Absolventen in den Mittelpunkt ihrer Bildungspolitik gestellt. Mit »lebenslangem Lernen« wurde vor allem die Aufforderung verknüpft, dass die Beschäftigten ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst flexibel dem sich wandelnden europäischen Arbeitsmarkt anpassen sollen. Damit muss Schluss sein. Die frühe Zuteilung von Bildungschancen muss überwunden werden. Es müssen ausreichend gute Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Der Zugang zu höchster Bildung, also auch zum Studium, muss für alle erleichtert werden. In allen Bildungsbereichen muss gelten, dass alle dazu gehören, niemand ausgegrenzt wird und Verschiedenheit normal ist – das gilt auch für alle Menschen mit Handicaps. In diesem Sinne ist eine inklusive Bildung in allen Mitgliedstaaten durchzusetzen.
Ein demokratisches Europa braucht gute und demokratische Bildungssysteme. Die Abschaffung der seit 2005 eingeführten Studiengebühren durch die Studierendenbewegung, in einigen Bundesländern auch auf Druck unserer Landtagsfraktionen, war ein Erfolg. DIE LINKE tritt für ein Umsteuern in der europäischen Bildungspolitik ein. Die Privatisierung von Bildungseinrichtungen muss gestoppt werden. Es darf nicht nur darum gehen, eine kleine europäische Bildungselite herauszubilden.
■ DIE LINKE tritt gegen Privatisierungen im Bildungsbereich ein. Public Private Partnerships in Schulen und Hochschulen öffnen Profitinteressen Tür und Tor und gefährden demokratische Mitbestimmung in den Bildungseinrichtungen.
■ Die Dienstleistungsrichtlinie der EU hat den Privatisierungsdruck auf die sogenannten Bildungsdienstleistungen erhöht, wir haben sie deshalb abgelehnt. Bildung ist ein öffentliches Gut und muss in öffentlicher Verantwortung gestaltet und solidarisch finanziert werden.
Die Einführung der Bachelor- und Master-Abschlüsse im Zuge der Bologna-Reform hat die Studiengänge zusätzlich verschult: Studieren wird von Zeitdruck und Prüfungsstress bestimmt.
■ Wir fordern die Abschaffung des Bologna-Systems – weg von repressiven Studienordnungen hin zu einem selbstbestimmten, interdisziplinären und kritischen Studieren. Die Promotion sehen wir nicht als Studienphase, sondern als erste Etappe wissenschaftlicher Berufsausübung.
■ Die EU darf nicht länger für Studiengebühren werben, sondern muss sich für die Umsetzung des UN-Sozialpakts stark machen: Dort steht das Recht auf Bildung im Mittelpunkt, und alle Unterzeichnerstaaten haben sich verpflichtet, Studiengebühren abzuschaffen.
■ Wir wollen, dass Lehrende und Lernende sich über die Landesgrenzen hinweg austauschen. Damit sich nicht nur Jugendliche aus finanzstarken Elternhäusern während der Ausbildung einen Auslandsaufenthalt leisten können, müssen die Förderprogramme der EU ausgebaut und gerade für finanziell Schwächere attraktiver gemacht werden (Erasmus for All/YES Europe 2014–2020, das Comenius-Programm für Schulaustausch sowie für den berufsbildenden Austausch im Rahmen des Leonardo-da-Vinci-Programms, Kreatives Europa 2014–2020, Europa der Bürgerinnen und Bürger 2014–2020). Diese Programme müssen stärker für Interessenten mit Behinderungen und andere benachteiligte Gruppen ausgelegt werden.
Berufsbildung: Humanisierung der Arbeit, Demokratisierung und Partizipation sowie Emanzipation müssen Leitziele der allgemeinen und beruflichen Bildung sein.
Mit dem Kopenhagen-Prozess hat die EU eine intensive Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Berufsbildungspolitik auf den Weg gebracht. Dabei orientiert sie sich am Leitbild eines deregulierten Bildungsmarktes, auf dem sich jede und jeder aus verschiedenen Modulen die eigene Qualifikation zusammenbasteln muss. DIE LINKE setzt sich für ein grundlegendes Umsteuern dieser Politik ein. Wir streiten für ganzheitliche Berufsausbildungen, die jungen Menschen eine breite Basis für ihren Berufsweg geben und sie in die Lage versetzen, ihren Lebensweg eigenständig zu gestalten.
2.13 Wissenschaft und Innovation für den sozial-ökologischen Umbau Europas
■ Die Tradition und die Zukunft von Wissenschaft und Forschung verbinden Europa. Zukünftig müssen Mobilität und Vielfalt sowie ein sozialer sowie regionaler Ausgleich in der europäischen Wissenschaftslandschaft besser als bisher gesichert werden. Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen können und sollen eine kritische Perspektive auf die europäische Gesellschaft einnehmen und zur Überwindung der ökonomischen und sozialen Krise beitragen.
■ Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften in ihrer europäischen Dimension will DIE LINKE verstärkt fördern. Dabei sollten insbesondere die Transformationserfahrungen der Beitrittsstaaten als Wissensquelle zur Lösung gesamteuropäischer Fragen einbezogen werden.
■ Wir fordern eine konzertierte europäische Open-Access-Initiative. Das europäische Urheberrecht soll wissenschaftsfreundlich gestaltet werden. Der Wissenstransfer in ärmere Regionen innerhalb und außerhalb Europas soll ausgebaut werden – etwa durch offene Publikationsformen und -datenbestände, aber auch eine sozial verantwortliche Lizenzierungspolitik.
■ Die Gleichstellung der Geschlechter in Europas Wissenschaftseinrichtungen wollen wir durch klare Förderkriterien und geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen voranbringen.
■ Wir wollen den Europäischen Forschungsraum (EFR) stärken und den Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern. Die Rahmenbedingungen wie etwa Sozial- und Altersversorgungssysteme müssen auf diese Mobilität besser eingestellt werden. DIE LINKE fordert, die Europäische Charta für Forscher endlich verbindlich auszugestalten und gute Arbeit in der Wissenschaft zu fördern.
■ Die Europäische Forschungsförderung muss mehr an den Zukunftsherausforderungen der Gesellschaft statt an den Interessen der Industrie ausgerichtet werden. Dazu gehört insbesondere die sozial-ökologische Transformation, die Umstellung der Energieforschung auf zukunftsfähige Energieträger sowie der Ausstieg aus der Atomenergieforschung und dem Fusionsprojekt ITER. Bisher üben große Unternehmen und ihre Verbände einen zu starken Einfluss auf die Ausrichtung der Forschungs- und Innovationsförderung aus.
■ Beim neuen Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 wollen wir die Beteiligung der Beitrittsstaaten verbessern und diese mit mindestens zehn Prozent an der europäischen Forschungsförderung beteiligen. Alle anwendungsnahen Förderprogramme sind vorrangig auf kleine Unternehmen auszurichten, geschlossene oder auf bestimmte Großunternehmen ausgerichtete Förderausschreibungen sind auszuschließen. Wir wollen, dass soziale Innovationen und Dienstleistungen stärker verankert werden. Die Förderung von Rüstungs- und Überwachungstechnologien ist einzustellen.
■ Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses will DIE LINKE im Rahmen geeigneter Instrumente wie der Marie-Curie-Programme und des Europäischen Forschungsrates ausweiten. Dabei wollen wir sozialversicherungspflichtige Stellen statt Stipendien zur Grundregel machen.
2.14 Für kulturelle Vielfalt in Europa
»Toleranz und Achtung gegenüber jedem einzelnen und Widerspruch und Vielfalt der Meinungen sind vonnöten. Eine politische Kultur, mit der unser Land, das geeinte, seine besten Traditionen einbringen kann in ein geeintes freies friedliches Europa.« Stefan Heym – Rede zur Eröffnung des Deutschen Bundestages am 10. November 1994
Europa versammelt einen großen Reichtum unterschiedlicher Kulturen und Erfahrungen, die allen zugutekommen sollen. Wir wollen die Bedingungen dafür verbessern, dass alle Menschen am kulturellen Leben teilhaben können.
Ohne Kultur verliert Europa an Bedeutung! DIE LINKE will eine demokratische, soziale und vielfältige Kulturpolitik auf europäischer Ebene mit einer starken Finanzierungsbasis. Im Sinne der UNESCO-Kulturdefinition verstehen wir Kultur als Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnet und die über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst.
Wir wollen die kulturelle Dimension der europäischen Einigung durch einen intensiveren Austausch und gemeinsame kulturelle Projekte fördern. Der europäische und weltweite Austausch unter Einbeziehung der vielfältigen kulturellen und künstlerischen Ausdrucksformen und Traditionen soll Weltoffenheit und Toleranz befördern. Insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist in der Europäischen Union ein Paradigmenwechsel in der europäischen Kulturpolitik wahrnehmbar. Im Vordergrund steht unter neoliberalen Einflüssen vor allem die wirtschaftliche Wettbewerbsförderung.
Wir lehnen die Liberalisierung kultureller Dienstleistungen ab; sie folgt allein Profitinteressen. DIE LINKE wird sich weiterhin dafür einsetzen, den Doppelcharakter von Kulturgütern anzuerkennen, so wie er in der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt festgeschrieben ist. Kultur ist mehr als eine Ware und kann nicht allein nach marktwirtschaftlichen Kriterien bewertet werden.
Dringend notwendig ist in der europäischen Förderpolitik die Anerkennung und Berücksichtigung der Unterschiede wie auch der Wechselwirkungen der drei Sektoren des Kulturbereichs: des erwerbswirtschaftlichen, des zivilgesellschaftlichen und des freigemeinnützigen Bereichs.
Wir wollen die Arbeits- und Lebensbedingungen von Kulturschaffenden verbessern. In der schnell wachsenden Kultur- und Kreativwirtschaft befinden sich viele Kreative in einer prekären sozialen Situation. Deshalb engagieren wir uns für gute, existenzsichernde Arbeit und soziale Sicherung auch in diesem Bereich. Wir wollen die Einführung von Mindestlöhnen und Honoraruntergrenzen, ein Urheberrecht, das die Verhandlungsmacht der Kreativen gegenüber den Verwertern ihrer Leistungen stärkt, und transparente, demokratische Strukturen in den Verwertungsgesellschaften. Eine der wichtigsten Aufgaben in den nächsten Jahren wird es sein, bessere Rahmenbedingungen für die Nutzung des Internets zu schaffen, die die Teilhabe aller an Information, Wissenschaft, Bildung und Kultur sichern und zugleich gewährleisten, dass Kreative von ihrer Arbeit leben können. Dazu braucht es auch neue Lizenz- und Vergütungsmodelle (Creative Commons, Kulturwertmark, Crowdfunding).
Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für Kulturgüter ist eines der wesentlichen Instrumente indirekter Kulturförderung. Wir wollen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent für alle Kulturgüter auf nationaler Ebene erhalten. Auf europäischer Ebene setzen wir uns dafür ein, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz auch auf E-Books, Hörbücher, E-Papers und andere elektronische Informationsmedien ausgedehnt wird. Die bildende Kunst sollte generell dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Das sollte künftig auch für den künstlerischen Siebdruck, die künstlerische Fotografie, die Videokunst und künstlerische Designleistungen gelten. Wir wollen die Buchpreisbindung in Deutschland erhalten und auf europäischer Ebene auch für die E-Books sichern.
2.15 Europäische Medienpolitik emanzipatorisch gestalten
Medien interpretieren und verändern die Welt – und dabei auch sich selbst. Ihr Markt und ihre Macht sind längst global. Wer sie besitzt, kann Politik und Gesellschaft kontrollieren. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, Film, Radio und Fernsehen und das Internet wie auch einige soziale Netzwerke sind die Massenmedien der Gegenwart.
Information, Kommunikation und Unterhaltung sind jedoch nicht nur Waren. Sie prägen die Kultur und sind eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Aber ohne Zugang und demokratische Teilhabe aller bleiben sie ein Instrument der Mächtigen.
Deshalb ist die Sicherung der Informations- und Meinungsfreiheit als öffentliches Gut für die DIE LINKE eine zentrale politische Forderung auch im Europäischen Parlament.
DIE LINKE wendet sich gegen ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, in dem Medien und insbesondere der Rundfunk als bloße Handelsgüter behandelt werden. Das europäische Medien- und Kulturverständnis wird auch in Zukunft regulatorische Eingriffe erfordern, die die Meinungsvielfalt und die Pluralität in den Medien sichern. Die besondere Stellung, die Medieninhalte als Kulturgut genießen, darf nicht durch internationale Abkommen unterlaufen werden. Eine weitergehende Liberalisierung des atlantischen Waren- und Dienstleistungshandels in kultureller Hinsicht muss verhindert werden.
Wir halten eine grundlegende Reform öffentlichrechtlicher Medienangebote und deren Bewahrung und Stärkung in allen Bereichen für geboten. Das ist für uns die Voraussetzung für eine breite, facettenreiche Medienöffentlichkeit. Die nur in Deutschland für die öffentlichrechtlichen Sender geltende Depublikationspflicht muss abgeschafft werden.
Wir wollen die zunehmende Konzentration von Medieninhalten im Eigentum oder unter der Zugangskontrolle internationaler Medienkonzerne beenden. Hier sollten europäische Richtlinien zur politischen Gegensteuerung eingesetzt werden, um die Entflechtung von Konzernstrukturen einzuleiten. Am Beispiel des Portals »Presseurop« ist auch darüber nachzudenken, wie europäische Medienangebote öffentlichrechtlich ausgerichtet werden können.
Einflussnahme auf Medien durch Politik und Wirtschaft hat zur Folge, dass deren Interessen befördert werden. Wir setzen auf politische Förderung und den Aufbau eigenständiger, unabhängiger, selbstorganisierter und staatsferner Mediensektoren, in denen Wissen und Informationen als öffentliche Güter bereitgestellt und auch solche Angebote gesichert werden, die der Markt nicht gewährleistet.
Eine emanzipatorische Medienpolitik soll aus unserer Sicht Aufklärungs- und Bildungsprozesse europaweit befördern. Sie soll dazu beitragen, private und staatliche Macht zu kontrollieren und Menschen zu motivieren, sich an neuartigen Formen politischer Entscheidungen zu beteiligen. Medien sollen zu öffentlichen Räumen der Selbstverständigung der Bürger und Bürgerinnen werden. Daher ist die Chancengleichheit und Barrierefreiheit beim Medienzugang und bei der Mediennutzung für uns auch ein zentraler Bestandteil der sozialen Frage.
3. Für ein friedliches Europa – nach Innen und Außen
3.1 Europa in einer globalisierten Welt
Historisch zielte die Einigung in Europa darauf, Kriege zu verhindern und – nach den Weltkriegen im 20. Jahrhundert – zu einer friedlichen Entwicklung zwischen den Staaten Europas beizutragen, bei gleichzeitiger aggressiver bis militärischer Außenpolitik. Doch damit die EU einen Beitrag zu einer friedlichen Entwicklung leisten kann, brauchen wir einen Neustart: für mehr soziale Gerechtigkeit, für soziale Beziehungen in Europa und der EU in der Welt, für Abrüstung und Frieden. Wir wollen den Verzicht auf Krieg als Instrument der internationalen Beziehungen. Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU war völlig unangemessen.
Politische, wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit und die Konkurrenz um knappe Ressourcen führen zu Gewalt und Krieg. Große Teile der Weltbevölkerung leiden unter Armut und Hunger, Menschen sterben an behandelbaren Krankheiten, an mangelndem Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Die neoliberalen Wirtschafts- und Handelsabkommen haben schnelle und kurzfristige Wachstumsraten für die europäischen Länder im Blick. So schützt die EU die eigene Wettbewerbsfähigkeit, indem sie beispielsweise die Patente für Medikamente gegen Malaria und HIV/Aids nicht freigibt, obwohl diese in vielen armen Ländern dringend gebraucht werden. Die EU tritt zunehmend, zum Beispiel in den Verhandlungen um Freihandels- und Wirtschaftsabkommen, machtpolitisch gegenüber anderen Staaten auf und droht mit Handelssanktionen, wenn die eigenen Bedingungen nicht akzeptiert werden.
DIE LINKE lehnt jegliche Form von Gewaltanwendungen in internationalen Beziehungen ab. Sie schützen keine Menschenrechte, sondern sind Teil massenhafter Menschenrechtsverletzungen durch EU- und NATO-Staaten. DIE LINKE setzt sich deshalb insbesondere für die Einhaltung des in der UN-Charta verankerten Gewaltverbots ein.
Wir wollen politische Lösungen, keine neuen Kriege unter Beteiligung der EU. Krieg darf kein Mittel der Politik sein! Um Krieg und Gewalt zu beenden und allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, müssen globale, friedliche und kooperative Lösungen gefunden werden. Das geht nur, wenn konsequent abgerüstet und die Weltwirtschaftsordnung gerecht organisiert wird – in internationaler Solidarität.
DIE LINKE lehnt eine Verknüpfung von zivilen und militärischen Maßnahmen, wie sie die EU umfassend betreibt, ab. Mit »zivilmilitärischer Kooperation« und »vernetzter Sicherheit« wird die Militarisierung der Außenpolitik nur verschleiert. DIE LINKE kämpft gemeinsam mit der Friedensbewegung gegen die Militarisierung der EU. Sie setzt darauf, Auslandseinsätze zu beenden und Rüstungsproduktion und -exporte zu verbieten. Statt auf einen weiteren Ausbau einer Militärmacht EU setzen wir auf eine friedliche und zivile EU.
■ DIE LINKE tritt für eine zivile, friedliche Politik innerhalb und außerhalb Europas ein. Kampfeinsätze im Rahmen der EU-Battlegroups, EU-Militärmissionen und militärische EU-Ausbildungsmissionen, wie z.B. in Mali, aber auch Missionen, bei denen EU und NATO zusammenarbeiten, wie im Kosovo, lehnen wir ab.
■ Keine weitere Stationierung von Truppen aus EU- und NATO-Staaten in Afghanistan. Militärberatungsmissionen und die Polizeiausbildung in Staaten mit autoritären Regimen wie z.B. Saudi Arabien müssen sofort beendet werden.
■ Die Bundesregierung will – auch unter Verweis auf die EU-Verträge – den Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestages bei Militäreinsätzen aufweichen. Dies lehnt DIE LINKE ab.
■ Wir wenden uns gegen einen Europäischen Auswärtigen Dienst, der eine Beteiligung an Einsätzen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) forciert, und lehnen eine Beteiligung deutscher Soldaten an Einsätzen im Rahmen der GASP und GSVP sowie in EU-Battlegroups und EU-Interventionsstreitkräften ab. Ebenso lehnen wir die z.B. von Frankreich geforderte Finanzierung von EU-Auslandseinsätzen ab wie auch den Einsatz von Geldern aus dem Entwicklungsfonds für militärische Zwecke.
■ Bestandteil einer Entmilitarisierung der EU ist die Beendigung der Sicherheitskooperation mit den USA. Wir treten ein für die Beendigung der EU-NATO-Partnerschaft. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands und anderer EU-Mitgliedstaaten in der NATO werden wir in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austreten und die Armeen in der EU dem Oberkommando der NATO entzogen werden.
■ DIE LINKE fordert, die US-Militärbasen in der EU zu schließen, da diese für völkerrechtswidrige Kriege, Drohnenangriffe, CIA-Folterflüge und NSA-Geheimdienstinstallationen benutzt werden und einen Faktor ständiger Unsicherheit darstellen. Wir setzen auf eine Beendigung der militärischen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit mit den USA, dies beinhaltet die Kündigung der entsprechenden Abkommen.
■ Wir wollen eine EU, die frei ist von Massenvernichtungswaffen. Wir fordern den Abzug und die Vernichtung aller US-Atomwaffen aus Europa. DIE LINKE wendet sich deshalb auch gegen ein neues atomares Wettrüsten in Europa, als Teil dessen die Aufstellung des Raketenschilds durch die USA zu kritisieren ist.
■ Wir lehnen auch das neue Wettrüsten auf dem Gebiet der Drohnen ab und fordern ein Ende der EU-Forschungsprojekte, die die militärische und polizeiliche Nutzung von Drohnen voranbringen sollen.
Die Erfahrungen der Weltkriege des 20. Jahrhunderts waren Grundlage für die Gründung einer europäischen Staatengemeinschaft. 2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal und der des Zweiten Weltkriegs zum fünfundsiebzigsten Mal.
Für uns ist dies Verpflichtung, uns für eine EU stark zu machen, die konsequent gegen Rüstung, Krieg und Gewalt steht. Wir machen uns stark für den Aufbau eines europäischen Zivilen Friedensdienstes. DIE LINKE verfolgt langfristig das Ziel eines Deutschlands und eines Europas ohne Armeen, einer Welt ohne Kriege.
3.2 Jede Waffe findet ihren Krieg – Rüstungsexporte EU-weit verbieten
Die EU exportiert Güter wie Waffen, Chemikalien und Atomenergieanlagen, die in ihren Bestimmungsländern zu kriegerischen Auseinandersetzungen, zu Armut, Elend, Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung der Umwelt beitragen.
Verstärkt spielt auch die Sicherung von natürlichen Ressourcen eine Rolle. Die EU-Staaten gemeinsam sind neben den USA der größte Rüstungsexporteur der Welt.
Wir wollen Europa abrüsten. Das betrifft die Produktion und den Export von Waffen und die Militarisierung der Außengrenzen.
■ Statt die Rüstungsindustrie auszubauen, z.B. über den Bau des Airbus A 400 und die Entwicklung einer EU-Kampfdrohne, kämpfen wir für die Konversion der Rüstungsindustrie.
■ Die EU-Verteidigungsagentur fördert Rüstungsproduktion und -export. Die EU-Rüstungsagentur gehört abgeschafft, und Rüstungsexporte müssen EU-weit verboten werden. Wir setzen uns für ein EU-weites Exportverbot von dualuse Chemikalien und Industrieanlagen an Staaten ein, die die Chemiewaffenkonvention nicht unterzeichnet und ratifiziert haben.
3.3 Europa darf keine Festung sein!
Die EU-Freihandelspolitik sowie die Subventionen für Agrarprodukte zerstören die Lebensgrundlagen der Menschen in anderen Regionen der Welt. Das löst nicht nur gewalttätig ausgetragene Konflikte in den verarmenden Ländern, sondern auch Flucht vor politischer Instabilität und Gewalt und Arbeitsmigration aus. Gegen diese Folge ihrer Politik schottet sich die EU mit militarisierten Polizeimethoden ab. Die Dublin-Verordnung der EU sieht vor, dass im Regelfall dasjenige EU-Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, über das Asylsuchende in die EU eingereist sind. Die EU und ihre Mitgliedstaaten versuchen, ihre Grenzen möglichst hermetisch abzuschotten oder die Abwehr von Flüchtlingen auf Drittstaaten vorzuverlagern.
Nur Menschenliebe macht Europa zu einem Zuhause, einem, wo Hände über den Graben gereicht werden. Wo um Reichtum jedoch Todesstreifen gebaut werden, hat Glück keine Zukunft. Die einen mögen es mit Jesus Christus begründen, die anderen mit Karl Marx: Ein Umgang mit Menschen wie z.B. auf Lampedusa hat mit Nächstenliebe und Solidarität nicht das Geringste gemein.
Angesichts der dramatischen Lage – mit über 20 000 Toten an den EU-Außengrenzen seit Anfang der 1990er Jahre – fordern wir offene Grenzen: Kein Mensch ist illegal!
DIE LINKE fordert einen grundlegenden Wandel in der EU-Flüchtlingspolitik:
■ Wir fordern unbedingtes Bleiberecht und menschenwürdige Unterkünfte, soziale Absicherung und gleiche Rechte für alle Flüchtlinge.
■ Wir unterstützen das »Memorandum für ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit« und setzen uns für das Prinzip der freien Wahl des Zufluchtslandes ein, auf das sich viele Verbände verständigt haben (z.B. AWO, Diakonie, Pro Asyl, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutscher Anwaltsverein).
■ Statt Abschottung und Kriminalisierung brauchen wir eine gesamteuropäische Flüchtlings- und Migrationspolitik, die Menschen in Not hilft, die der Verantwortung der Europäischen Union für Migrationsbewegungen gerecht wird und die den Prinzipien der Menschenrechte und des Humanismus verpflichtet ist.
■ Frontex, die Agentur zur »Sicherung« der Außengrenzen, muss aufgelöst werden. Das Seeüberwachungssystem Eurosur, das nicht Menschen in Not rettet, sondern die Abschottung der EU gegenüber Flüchtlingen weiter verschärft, lehnen wir ab.
■ Die EU muss daran mitwirken, dass fluchtverursachende Faktoren in Herkunftsländern behoben werden.
Wir fordern, dass die Grundrechte der Flüchtlinge eingehalten werden: Alle Migrantinnen und Migranten müssen im Rahmen einer europäischen Teilhabe-Agenda rechtlich, politisch und sozial gleichgestellt werden. Menschen ohne regulären Aufenthaltstitel müssen die Möglichkeit zur Legalisierung und faire Arbeitsbedingungen haben.
■ Wir fordern ein wirklich humanes europäisches Asylrecht auf hohem menschenrechtlichen Niveau für alle Menschen ein, die aus politischen oder anderen Gründen fliehen müssen.
■ Die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention müssen eingehalten werden. Besonders der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung an den EU-Außengrenzen und auf hoher See muss befolgt werden!
■ Der Zugang zu Asylverfahren und Rechtsschutz für Asylsuchende müssen sichergestellt werden.
■ Wir fordern die strikte Achtung der UN-Kinderkonvention.
Asylsuchende dürfen nicht inhaftiert werden. Flucht ist kein Verbrechen und darf kein Grund für eine Inhaftierung sein.
3.4 Freien Zugang für Alle – EU-Visa-Liberalisierung
Die EU schottet sich auch durch ihre Visa-Politik ab. Trotz Abkommen zur Visaliberalisierung ist es für fast alle Menschen der Welt schwer, Freunde und Verwandte in Europa zu besuchen oder in zivilgesellschaftlichen Austausch zu treten. Die Visa-Politik wird gegenüber EU-Beitrittskandidaten als Druckmittel eingesetzt. So genießen zum Beispiel Sinti und Roma aus Nicht-EU-Ländern des Balkans real oft keine Reisefreizügigkeit innerhalb der EU, auch wenn eine Visafreiheit mit ihren Herkunftsländern verabredet wurde. Jeder rassistischen Hetze treten wir entschieden entgegen – die Armut muss bekämpft werden, nicht die Armen!
DIE LINKE setzt sich für eine Visa-Liberalisierung ein. Unser Ziel ist ein Europa – und eine Welt – ohne Visa-Pflicht und ohne Grenzen.
3.5. Europa ist größer als die EU: Wir wollen es demokratisch und solidarisch gestalten
Seit ihrer Gründung hat sich die Europäische Union kontinuierlich erweitert. Dieser Prozess hat nicht zu einer nachhaltigen Angleichung der Lebensverhältnisse geführt, sondern viele der beim Beitritt bestehenden Ungleichheiten lediglich in die Europäische Union hinein verlagert. Künftige Erweiterungsrunden müssen so gestaltet werden, dass soziale Standards gesichert werden. Wir setzen uns für Beitrittsprozesse ein, in denen neben der Erfüllung der Kopenhagener keine zusätzlichen Bedingungen an einzelne Länder gestellt werden. Wir fordern eine nachhaltige EU-weite Angleichung der Lebensverhältnisse.
3.6 Für faire und solidarische Beziehungen – EU-Nachbarschaft
Mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) versucht die EU, nahegelegene oder angrenzende Staaten wirtschafts- und sicherheitspolitisch an sich zu binden. Die ENP bezieht sich auf Länder Nordafrikas, des Nahen Ostens sowie auf den Kaukasus. Sie wird durch regionale Formen der Zusammenarbeit wie die östliche Partnerschaft, die Union für den Mittelmeerraum und die Schwarzmeersynergie flankiert. Auch mit Russland besteht eine strategische Partnerschaft.
■ Wir lehnen die Europäische Nachbarschaftspolitik in ihrer bisherigen Gestalt ab. Im Vordergrund europäischer Nachbarschaftspolitik sollen die Bekämpfung der Armut und der Wohlstand möglichst breiter Teile der Bevölkerung stehen.
3.7 Entwicklungs- statt Freihandelspolitik – Keine Armut durch EU-Interessen
Die EU-Entwicklungspolitik wird zunehmend mit ihren Handels- und militärischen Interessen verknüpft. Die EU-Freihandelsabkommen gefährden die friedliche und eigenständige Entwicklung von Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika.
■ DIE LINKE setzt sich für eine grundlegend veränderte Handelspolitik in der EU ein, die die selbständige, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Partnerländer im globalen Süden ermöglicht und fördert. Dazu gehört die Beteiligung von Parlamenten und Zivilgesellschaft an der Ausgestaltung der Handelspolitik.
■ DIE LINKE fordert: Schluss mit den Agrarexport-Subventionen der EU! Stattdessen müssen die Produzentinnen und Produzenten im Süden vor dem Nahrungsmittel-Dumping aufgrund der EU-Importe geschützt werden. DIE LINKE fordert die Konzentration der Entwicklungshilfegelder auf Maßnahmen zur direkten Armutsbekämpfung. Finanzmittel, die für Entwicklungshilfe vorgesehen sind, dürfen nicht für Militarisierung verwendet werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Land die freie Entscheidung darüber hat, ob beziehungsweise wann es ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU unterzeichnet und ratifiziert. Die wirtschafts- und sozialpolitische Steuerungsfähigkeit der Partnerländer darf nicht durch Handels- und Investitionsabkommen mit der EU untergraben werden. Sie sollte durch die EU-Entwicklungszusammenarbeit gestärkt werden. Auch die Mitwirkungsrechte der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung der AKP-Staaten (Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks) und des Europäischen Parlaments an der Programmierung und Umsetzung des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) müssen gestärkt werden.
DIE LINKE hat die falschen Grundlagen der Europäischen Union von Anfang an kritisiert: Statt Frieden und soziale Gerechtigkeit für die Menschen in Europa stand und steht die Freiheit der Märkte an erster Stelle. Deshalb haben wir den Lissabon-Vertrag abgelehnt, deshalb haben wir gegen die Bolkestein-Richtlinie gekämpft, die die Rechte der Beschäftigten geschwächt und den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge vorangetrieben hat. Heute, mit Wirtschaftskrise und Bankenrettung, sind die Ergebnisse dieser falschen Ausrichtung der EU offensichtlich.
Wir lassen uns nicht darauf ein, uns zwischen einer neoliberalen EU und einem neoliberalen Nationalstaat zu entscheiden. Kapital und Konzerne sind längst europäisch und international verflochten und vernetzt und setzen diese ökonomische Macht auch politisch ein, um ihre Interessen durchzusetzen. Beschäftigte internationaler Konzerne erfahren täglich, wie ihre Standorte gegeneinander ausgespielt werden und wie ohnmächtig sie sind, wenn sie nicht in der Lage sind, grenzüberschreitende Solidarität herzustellen. Wir streiten auf nationaler wie auf europäischer Ebene für soziale Forderungen und demokratische Rechte. Wir führen die Kämpfe dort, wo Menschenrechte, Demokratie und Sozialstaat in Frage gestellt werden: um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten, um die Rechte der Beschäftigten, der Erwerbslosen, der Rentnerinnen und Rentner, der Jugendlichen und Kinder, der Frauen und Mädchen, der Menschen mit und ohne Behinderungen und der Migrantinnen und Migranten – für ein gutes Leben für alle in Europa. Um ein Wirtschaftsmodell, in dem es nicht um das »Vertrauen« der Finanzmärkte, sondern der Bürgerinnen und Bürger geht. Um ein Europa, in dem die Menschen und die Bevölkerungen nicht gegeneinander gestellt und die natürlichen Grundlagen nicht zerstört werden – für ein Europa der solidarischen Nachbarn. Zusammen mit allen, die in die gleiche Richtung wollen: einen Neustart der Europäischen Union – demokratisch, sozial, ökologisch, friedlich.
Ein soziales Europa kann nur von unten entstehen. Wir knüpfen an die tatsächlichen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und sozialen Kämpfe an, stehen an der Seite vieler Menschen in Europa, die sich gegen die Diktate der Troika, gegen Lohn- und Rentenkürzungen, Massenarbeitslosigkeit und Bankenrettungen zur Wehr setzen. Europaweite Proteste und koordinierte Generalstreiks – DIE LINKE ist Teil dieser europäischen und internationalen Solidarität. Zusammen mit Gewerkschaften und den europäischen Bewegungen streiten wir gegen die Kürzungspolitik und ein Europa des Wettbewerbs und der Konkurrenz. Zusammen mit europäischen linken Parteien in der Fraktion Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke.
Mit einer starken LINKEN für ein solidarisches Europa!
4. Europa verändern
DIE LINKE hat die falschen Grundlagen der Europäischen Union von Anfang an kritisiert: Statt Frieden und soziale Gerechtigkeit für die Menschen in Europa stand und steht die Freiheit der Märkte an erster Stelle. Deshalb haben wir den Lissabon-Vertrag abgelehnt, deshalb haben wir gegen die Bolkestein-Richtlinie gekämpft, die die Rechte der Beschäftigten geschwächt und den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge vorangetrieben hat. Heute, mit Wirtschaftskrise und Bankenrettung, sind die Ergebnisse dieser falschen Ausrichtung der EU offensichtlich.
Wir lassen uns nicht darauf ein, uns zwischen einer neoliberalen EU und einem neoliberalen Nationalstaat zu entscheiden. Kapital und Konzerne sind längst europäisch und international verflochten und vernetzt und setzen diese ökonomische Macht auch politisch ein, um ihre Interessen durchzusetzen. Beschäftigte internationaler Konzerne erfahren täglich, wie ihre Standorte gegeneinander ausgespielt werden, und wie ohnmächtig sie sind, wenn sie nicht in der Lage sind, grenzüberschreitende Solidarität herzustellen. Wir streiten auf nationaler wie auf europäischer Ebene für soziale Forderungen und demokratische Rechte. Wir führen die Kämpfe dort, wo Menschenrechte, Demokratie und Sozialstaat in Frage gestellt werden: Um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten, um die Rechte der Beschäftigten, der Erwerbslosen, der Rentnerinnen und Rentner, der Jugendlichen und Kinder, der Frauen und Mädchen, der Menschen mit und ohne Behinderungen und der Migrantinnen und Migranten - für ein gutes Leben für alle in Europa. Um ein Wirtschaftsmodell, in dem es nicht um das »Vertrauen« der Finanzmärkte, sondern der Bürgerinnen und Bürger geht. Um ein Europa, in dem die Menschen und die Bevölkerungen nicht gegeneinander gestellt und die natürlichen Grundlagen nicht zerstört werden - für ein Europa der solidarischen Nachbarn. Zusammen mit allen, die in die gleiche Richtung wollen: einen Neustart der Europäischen Union - demokratisch, sozial, ökologisch, friedlich.
Ein soziales Europa kann nur von unten entstehen. Wir knüpfen an die tatsächlichen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und sozialen Kämpfe an, stehen an der Seite vieler Menschen in Europa, die sich gegen die Diktate der Troika, gegen Lohn- und Rentenkürzungen, Massenarbeitslosigkeit und Bankenrettungen zur Wehr setzen. Europaweite Proteste und koordinierte Generalstreiks - DIE LINKE ist Teil dieser europäischen und internationalen Solidarität. Zusammen mit Gewerkschaften und den europäischen Bewegungen streiten wir gegen die Kürzungspolitik und ein Europa des Wettbewerbs und der Konkurrenz. Zusammen mit europäischen linken Parteien in der Fraktion der Vereinte Europäische Linke /Nordische Grüne Linke.
Mit einer starken LINKEN für ein solidarisches Europa!